Direkt zum Hauptbereich

Göttliches Gemetzel

Was passiert, wenn Eltern einen Kinderstreit "zivilisiert" besprechen wollen? Es wird unschön.

Zwei Jungs zünden sich gegenseitig verbal an, der eine angefeuert von seiner «Gang». Dem anderen wird es zu bunt, und er drischt mit einem Stock auf den Anführer ein. Diese Szene könnte in Kabul, Palermo, Pfungen oder New York zu beobachten sein. Was danach geschieht ist übrigens genauso universal.

Roman Polanski inszeniert in «Carnage» (Der Gott des Gemetzels) ein Theaterstück der Spitzenklasse. Darin treffen sich die Eltern der prügelnden Jungs, um die Sache zivilisiert aus der Welt zu schaffen. Das gelingt ihnen genau 10 Minuten lang, bis ihnen die Schuldfrage in die Quere kommt und die ersten spitzen Bemerkungen fallen.

Denn Eltern sind wie Kinder. Oder Politiker. Und Diktatoren. Sie vertreten immer die eigenen Interessen. Im Falle von Papa und Mama heissen diese Interessen eben «mein Kind». Es gibt wohl kaum eine Mutter, einen Vater, die nicht schon mal gedacht haben, dass das Gspänli von nebenan mit der frechen Klappe doch einfach nur ein kleines A...loch ist. Seien Sie ehrlich!

Und so geht es eben auch Penelope Longstreet, eine politisch korrekte Supermami aus New York, gespielt von Jodie Foster. Sie ist zwar die Initiantin dieses Gesprächs unter zivilisierten Erwachsenen, schliesslich «gehören wir alle einer globalen Gemeinde an» und der Weltfrieden ist ihr oberstes Ziel. Doch auch sie verliert zusehends die Contenance, spätestens als die Frage auftaucht, wieso ihr Sohn eigentlich Prügel bezogen hat. Er wird den Täter ja wohl provoziert haben, oder nicht? Ihr Mann, gespielt von John C. Reilly, verschlimmert das Ganze mit seiner pseudoneutralen Art, indem er es wagt, die These «Jungs sind halt so» in die immer aufgebrachtere Runde zu werfen.

Wie nicht anders zu erwarten war, sind es anfangs vor allem die Mütter, die sich in die Diskussion einbringen und ihre Kinder – sachte zuerst, immer vehementer zum Schluss – verteidigen. Das Muttertier stellt sich lange schlafend. Bis Kate Winslet, die vordergründig sensible Upper Class Mom, die vor lauter Aufregung schon bald auf den Clubtisch kotzt, sich lautstark empört, als ihr Mann sich nicht vollkommen und uneingeschränkt für ihr Kind – den vermeintlichen Täter – einsetzt. Christoph Waltz brilliert in der Rolle des arroganten Vaters, der für solchen Unsinn eigentlich gar keine Zeit hat, schliesslich ist er ein wichtiger Anwalt der Pharmaindustrie und muss etwa alle fünf Minuten ein Telefongespräch führen, das sein Desinteresse für seine Mitmenschen immer wieder auf ein Neues demonstriert.

Der Film hiesse nicht Carnage (zu deutsch: Gemetzel), wenn das Echtzeit-Gespräch nicht vollkommen ausarten würde. Ohne die Handlung vorwegnehmen zu wollen, verrate ich Ihnen nun, was wir aus diesem Film lernen:
  • Alkohol macht uns zu ehrlicheren Eltern/Menschen.
  • Männer sind objektiver und vernünftiger, oder haben Sie schon mal das Wort «Vatertier» gehört?
  • John Wayne hat als Vorbild für Väter und Söhne auch 2011 noch nicht ausgedient.
  • Die Solidarität eines Elternpaares weicht früher oder später der Geschlechtersolidarität.
  • Kinder scheren sich keinen Deut um die Meinung ihrer Eltern.
Fazit: Babysitter besorgen und ab ins Kino!
"Carnage" von Roman Polanski, zur Zeit in Schweizer Kinos.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Allerwichtigste

    Als ich mir überlegt habe, was ich nach all den Jahren hier mit euch teile, war das erste Thema ziemlich klar: Was ist das Wichtigste für dich als Mutter? In der Schwangerschaft, bei der Geburt, als die Kinder klein waren und heute? War es immer dasselbe? Natürlich sind die Kinder das Wichtigste, die Partnerschaft, eine gewisse Sicherheit, auch finanziell. Aber das meine ich nicht.  Was hat dir das Überleben als Mutter sozusagen gesichert? Wie hast du die langen Tage geschafft, den wenigen Schlaf gemeistert, den Frust, die Sorgen, die Selbstzweifel? Na?  Ich kann ja nicht für alle reden, aber bei mir waren es - abgesehen von meinem Mann - ganz klar: die Frauen in meinem Leben. Meine Freundinnen. Ohne die ich wohl früher oder später wahlweise abgehauen, durchgedreht oder zusammengebrochen wäre. In dieser oder einer anderen Reihenfolge.  Meine Freundinnen sind mein Fels in der Brandung. Mein Punching Bag. Meine Klagemauer. Es sind Mütter von älteren, aber auc...

Die Hormonhölle

  Wer mich bzw. Rabenmutter (Blog und Buch) noch nicht kennt, braucht für diesen Text eine kurze Orientierung: Bei Sassines sind wir 2 Männer (Vater und Sohn, 21) und zwei Frauen (Tochter, bald 17, und ich). Soviel zur Demografie des Hauses. Als mein Sohn in die Pubertät kam, gab es schwierige Zeiten. Wir sind uns sehr ähnlich, will heissen, wir sagen, was ist. Sowohl im Positiven, wie aber auch im Negativen. Wenn uns also etwas nicht passt, meckern wir genauso, wie wir spontan «Ich liebe dich» sagen können. Jedoch gab es Zeiten, da war es kein meckern mehr, vielmehr gingen wir uns regelmässig an die Gurgel mit ausgewachsenen Wutanfällen, die einem Orkan ähnelten. Sowohl in der Kraft, als auch in der Lautstärke. Diese endeten jeweils mit einem Türenschletzen seiner- und einer Putzaktion meinerseits (Ich putze nicht gerne, ausser ich bin wütend. Meine Laune lässt sich also direkt an der Sauberkeit unseres Hauses messen.) Die anderen zwei Sassines, Vater und To...

Wenn nichts mehr geht - knapp am Burnout vorbei

Monatelang stand ich unter Strom. Dann kam der Stromausfall. Wie ich an einem Burnout vorbeirasselte… Das Hirn läuft auf Hochtouren.  Verträge aushandeln . Kuchen backen für diverse Schulevents. Den Grossen zur Töffliprüfung fahren. Hat mein Mann jenen Termin gesehen? Nochmal überprüfen. Die Grossmutter zum Arzt begleiten. Schon wieder ein Mail von diesem Geschäftspartner, dessen niveauloser Ton an Trump erinnert. Und noch ein Problemfall mit Kunden, den wir zwar nicht verschuldet haben, aber ausbaden müssen. So sahen meine letzten Monate aus. Eure vielleicht auch.   Weiterlesen auf Any Working Mom. ( Photo by  Dingzeyu Li  on  Unsplash )