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"Die spinnt doch!"

Eine Frau erwartet ihr 20. Kind. Mir fehlen die Worte. Aber nicht ganz.

Sagt euch der Name Michelle Duggar etwas? Die Dame hat zusammen mit ihrer Familie eine US-TV Show und bereits ein paar Bücher veröffentlicht. Soweit nichts aussergewöhnliches, bleibt dem Zuschauer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ja kaum etwas an Reality erspart. Das besondere an den Duggars? Sie sind 21. Mitglieder. Zwei Eltern, 19 Kinder. 19!!!
Und damit nicht genug: Die konservative baptistische 19-fache Mutter aus dem Bundesstaat Arkansas erwartet ihr zwanzigstes Kind.
20 Kinder. Das sind (zusammen mit den Eltern) zwei Fussballmannschaften. Eine Schulklasse. Ein voller Monat in Arbeitstagen. Als ich diese Nachrichten las, dachte ich als allererstes: „Die spinnt doch! Sind 19 Kinder wirklich nicht genug?“ Sieht man sie reden, revidiert man diese Meinung, sie ist nämlich eine dieser netten Amerikanerinnen, denen man irgendwie nicht böse sein kann. Und doch...
Wenn ich mir überlege, dass sie praktisch 21 Jahre ihres Lebens (sie ist heute 45) schwanger war, denke ich schon wieder „Die spinnt doch!“. Auch wenn man annehmen kann, dass sie ein paar Jahre Pause hatte, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie als Nicht-Schwangere ihre Füsse auf den Tisch gelegt, Soaps geschaut und sich mit Süssigkeiten vollgestopft hat. Als gute Christin war sie wohl mit backen (für Weihnachten), basteln (für Ostern UND Weihnachten) und mit singen (wann immer sich die Gelegenheit bietet) beschäftigt. Im Ernst, die Kinder waren  Arbeit genug, so etwas wie Freizeit hat sie wohl kaum gekannt.
Wenn ich mir überlege, womit sie die letzten 21 Jahren gekämpft hat, wird mir etwas schwindlig:

-    Blähungen, unbeabischtigten Rülpsern, überdimensionalen Brüsten und elefantöse Waden (all diese Symptome werden mit den Jahren ja nicht besser).

-    Sie musste über zwei Dekaden lang Umstandskleider tragen, die seit 1991 sicherlich hübscher geworden sind. Aber so hübsch auch wieder nicht. Irgendwas mit Gummizug hatte sie zumindest immer an.

-    Sie wechselte mindestens 69'000 Windeln, stillte im Minimum während 55'000 Stunden. Meine Brüste bräuchten bereits nach zwei Kindern ein Lifting, wie ist das bloss bei 18 weiteren?

-    Wäsche waschen: Das kann ich gar nicht erst ausrechnen... Und vom Wäsche falten sprechen wir gar nicht erst!

-    Kochen. Schon bei zwei Kindern brauche ich 45 Minuten zum Kochen, 20 Minuten für's Essen und danach räume ich eine Stunde auf. Und die vielen Teller? Wie kocht man für so viele? WAS kocht man für all die verschiedenen Geschmäcker? Macht sie ein Buffet? Wenn die sich alle noch höflich den Kartoffelgratin (stellen Sie sich mal die Ofenform vor!) reichen müssen, schmeckt der doch beim 19. Kind nach Scheibenkleister!

-    Hausarbeit. Nachdem sie gestillt, gewickelt, gewaschen und gekocht hat: Hat der Tag da überhaupt noch Stunden? Ich gehe natürlich schwer davon aus, dass die grossen Kinder helfen, aber diese Organisation!

-    Pausen? Lesen, fern sehen, stricken, Sex? Den hatte sie offensichtlich, aber vielleicht auch nur einmal im Jahr, dann war sie ja schon wieder schwanger! Von der Lust ganz zu schweigen. Nachdem sie 19 Kinder bemuttert hat, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie abends als erstes ihren Jim-Bob bespringen möchte.

-    Und ach ja, wie sich das für religiöse Familien in den USA gehört, werden die Kinder natürlich ge-home-schoolt. Sie bringt ihnen den Schulstoff bei und die Kids sind somit IMMER daheim!

-    Flippt die Frau auch mal aus? 19 Kinder und ein Mann müssen sie doch manchmal auf die Palme bringen? Ich käme nie wieder runter von dem Baum!

-    Ich hab’s! Sie schläft nicht! Diese Frau schläft nie!
Nicht vergessen: Dies alles tat sie während 20 Schwangerschaften!

Es gibt Tage, da fühle ich mich vollkommen unfähig. Als Mutter, Hausfrau, Ehefrau, im Job. Nach diesen Zeilen ist unfähig nicht mehr das richtige Wort. Ich setz’ mich jetzt mal.

Kommentare

DaniSojasahne hat gesagt…
Was für ein vorbildliches Familienfoto...

Ich bin sicher, die Ältesten haben es da auch nicht gerader leicht und dürfen so einiges an häuslichen Pflichten übernehmen. Was ja normal ist, aber mich würde es nicht wundern, wenn sich die älteren Mädels und Jungs selbst wie Mutti und Vati fühlen.

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