Direkt zum Hauptbereich

Reporter ohne Grenzen

Darf ein Reporter Kinder in Abwesenheit der Eltern befragen?

Ein Sandhaufen, zwei Kinder, viel Spass. Könnte man meinen. Für einen Zwölfjährigen geriet der Sandhaufen zur tödlichen Falle, als er in den darin gegrabenen Tunnel hineinkletterte und der regenschwere Sand über ihm zusammenbrach. Trotz Rega und Notärzten verstarb der Kleine am nächsten Tag im Spital.

So ähnlich klang die Meldung der sda. Und so ähnlich war der Wortlaut in fast allen Zeitungen, die meisten Journalisten begnügten sich damit, zu informieren. Nicht so ein Schweizer TV-Lokalsender. Noch war gar nicht klar, wie es dem verunfallten Jungen denn ging, schon erschien ein Reporter im Dorf. Und kaum erklang die Schulglocke, passte er die Kinder auf dem Heimweg ab, um "mehr" über den Unfall zu erfahren. Übrigens sage die Pressemeldung ganz klar, dass nur der kleine Bruder des Opfers beim Unfall anwesend gewesen war. Was also sollten die Schulkameraden auf dem Heimweg von der Schule schon mehr wissen als die Reporter selber?

Nun arbeite ich ja auch für die Medien. Und ich bin nicht so naiv zu glauben, dass dieser Beruf das Wort "Ethik" mit einem besonders grossen "E" schreibt. Doch war ich allen Ernstes der Meinung, dass Eltern bzw. Erziehungsberechtigte ihr Einverständnis geben müssten, bevor man ein minderjähriges Kind befragen darf. Wenn ich im Fernsehen Passanten-Interviews sehe und Kinder zu einem Thema etwas sagen, dann ging ich immer davon aus, dass da nicht weit entfernt ein Erwachsener steht (den man vielleicht nicht im Bild sieht) und dieser vom Reporter gefragt wurde, ob er das Kind interviewen dürfe.

Auch wenn die Kinder von den Reportern nicht gefilmt wurden - denn solche ausgestrahlten Bilder unterstehen dem Persönlichkeitsrecht und bedürfen gesetzlich des elterlichen Einverständnisses – so muss man sich schon fragen, was diesen "dynamischen" Jung-Journalisten/Video-Reporter durch den Kopf geht, wenn sie Kinder auf dem Heimweg ansprechen, die offensichtlich bestürzt sind über eine solche Tragödie. Das hat mit Ethik und Justiz nichts zu tun, da geht es einfach um den gesunden Menschenverstand und um ein kleines bisschen Einfühlungsvermögen.

Im Zeitalter von Internet-TV, Twitter und Facebook, welche die Konkurrenz unter den Medien immer weiter entfacht, könnte man vielleicht denken, dass alles erlaubt sei, um die Menschen zu "informieren". Auch dass eine gewisse Sensationslust die Medien schon immer angetrieben hat, werde ich nicht bestreiten. Doch müssen unsere Kinder dafür herhalten? Sind denn nicht gerade sie schützenswert, wenn es darum geht, den tragischen Tod eines Freundes zu verarbeiten?

Beim Lokalsender angefragt, nahm man ausführlich Stellung dazu. Der Video-Reporter sei doch sehr freundlich gewesen und habe keinerlei Zwang ausgeübt. Er habe die Kinder ja nur fragen wollen, wie der Junge zum Vornamen hiess. Doch Kinder fühlen sich nun mal unter Druck, wenn ein Wildfremder in einer solchen Situation etwas von ihnen will. Trotz also angeblich guter Absichten wage ich zu behaupten, dass sich ein Boulevard-Sender wohl etwas mehr aus der Befragung erhofft hätte als nur den Vornamen des Opfers. Leider.

Kommentare

Lorelai hat gesagt…
Da hat der Journalist ganz klar mehr als zweifelhaft gehandelt aber generell... ich bin auch Journalistin und unsere Zeitung führt des öfteren Befragungen durch. Darunter befinden sich wohl auch mal Kinder. Aber solange man nur im Freibad herumfragt, welche Glacésorte das Kind bevorzugt und ob es lieber rutscht oder planscht, ist das m. E. n. kein Problem. V.a. weil es sich dabei um ältere Kinder handelt, die offensichtlich ohne Aufsicht im Freibad sind. Also darf man auch davon ausgehen, dass sie ungefähr verstehen, was Journalist und Zeitung bedeutet und auch nein sagen können, wenn sie keine Auskunft geben wollen.
Frau Rauf und Runter hat gesagt…
Leider gibts ganz ganz viele Journalisten welche überhaupt keine Skrupel vor der Jugend haben!
Ich bin Lehrperson an einer Oberstufe und wir hatten leider mal einen Fall, welcher in den Zeitungen war! Unsere Schüler wurden von uns klar instruiert, keine Informationen an die Journalisten zu geben (da vieles noch ungewiss etc. war!)
Die Kids waren Klasse! Es ging praktisch nix raus, den Kids wurden sogar Mittagessen und Geld angeboten!
Die Art und Weise wie die Kids gelockt werden, ist krass!


@Lorelai
naja, eine Glacésortenumfrage und die beschriebene Situation im Posting sind ja schon zweierlei!
Katharina hat gesagt…
Wenn ich mich an meine - zugegeben lang zurück liegenden - Vorlesungen in Medienrecht zurück erinnere, dürfen Minderjährige ohne Einverständnis der/des Erziehungungsberechtigten nicht interviewt werden.
Aber auch hier gilt natürlich "wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter". Naja...

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Allerwichtigste

    Als ich mir überlegt habe, was ich nach all den Jahren hier mit euch teile, war das erste Thema ziemlich klar: Was ist das Wichtigste für dich als Mutter? In der Schwangerschaft, bei der Geburt, als die Kinder klein waren und heute? War es immer dasselbe? Natürlich sind die Kinder das Wichtigste, die Partnerschaft, eine gewisse Sicherheit, auch finanziell. Aber das meine ich nicht.  Was hat dir das Überleben als Mutter sozusagen gesichert? Wie hast du die langen Tage geschafft, den wenigen Schlaf gemeistert, den Frust, die Sorgen, die Selbstzweifel? Na?  Ich kann ja nicht für alle reden, aber bei mir waren es - abgesehen von meinem Mann - ganz klar: die Frauen in meinem Leben. Meine Freundinnen. Ohne die ich wohl früher oder später wahlweise abgehauen, durchgedreht oder zusammengebrochen wäre. In dieser oder einer anderen Reihenfolge.  Meine Freundinnen sind mein Fels in der Brandung. Mein Punching Bag. Meine Klagemauer. Es sind Mütter von älteren, aber auc...

Die Hormonhölle

  Wer mich bzw. Rabenmutter (Blog und Buch) noch nicht kennt, braucht für diesen Text eine kurze Orientierung: Bei Sassines sind wir 2 Männer (Vater und Sohn, 21) und zwei Frauen (Tochter, bald 17, und ich). Soviel zur Demografie des Hauses. Als mein Sohn in die Pubertät kam, gab es schwierige Zeiten. Wir sind uns sehr ähnlich, will heissen, wir sagen, was ist. Sowohl im Positiven, wie aber auch im Negativen. Wenn uns also etwas nicht passt, meckern wir genauso, wie wir spontan «Ich liebe dich» sagen können. Jedoch gab es Zeiten, da war es kein meckern mehr, vielmehr gingen wir uns regelmässig an die Gurgel mit ausgewachsenen Wutanfällen, die einem Orkan ähnelten. Sowohl in der Kraft, als auch in der Lautstärke. Diese endeten jeweils mit einem Türenschletzen seiner- und einer Putzaktion meinerseits (Ich putze nicht gerne, ausser ich bin wütend. Meine Laune lässt sich also direkt an der Sauberkeit unseres Hauses messen.) Die anderen zwei Sassines, Vater und To...

Wenn nichts mehr geht - knapp am Burnout vorbei

Monatelang stand ich unter Strom. Dann kam der Stromausfall. Wie ich an einem Burnout vorbeirasselte… Das Hirn läuft auf Hochtouren.  Verträge aushandeln . Kuchen backen für diverse Schulevents. Den Grossen zur Töffliprüfung fahren. Hat mein Mann jenen Termin gesehen? Nochmal überprüfen. Die Grossmutter zum Arzt begleiten. Schon wieder ein Mail von diesem Geschäftspartner, dessen niveauloser Ton an Trump erinnert. Und noch ein Problemfall mit Kunden, den wir zwar nicht verschuldet haben, aber ausbaden müssen. So sahen meine letzten Monate aus. Eure vielleicht auch.   Weiterlesen auf Any Working Mom. ( Photo by  Dingzeyu Li  on  Unsplash )