Direkt zum Hauptbereich

Was bedeutet Mutterschaft?

MutterschaftsURLAUB?
Für das Gesetz scheint dieser Begriff nur für leibliche Mütter zu gelten. Wieso eigentlich?

Vor etwas mehr als sieben Jahren, als mein Sohn zur Welt kam, gab es sie noch nicht – die Mutterschaftsversicherung. Zumindest nicht gesetzlich geregelt. Wenn Frau Glück hatte, war ihr Arbeitgeber kulant genug, ihr einen kurzen Urlaub von ein paar Wochen zu genehmigen, in denen sie  die Beziehung zu ihrem Kind und (wenn sie wollte und konnte) das Stillen zu üben. Ausserdem sollte sie sich in der Zeit ausruhen.
 
Ausruhen? Ja, Sie haben richtig gelesen. Auch der heutige, mittlerweile gesetzlich geregelte, Mutterschaftsurlaub wird vordergründig aus diesem Grund erteilt: Um sich von der Strapazen der Schwangerschaft und Geburt zu erholen. Das besagt ja schon das kleine Wort «Urlaub». 

Der Ausdruck und die Gesetzgebung müssen demnach von (kinderlosen) Männern geschrieben worden sein. Wie sonst erkläre ich mir, dass man bei einer frisch gebackenen Mutter davon ausgehen kann, dass sie sich in den 16 Wochen, in denen sie eine Lohnfortzahlung erhält, «ausruhen» wird? Oder, wie ich anlässlich meines Buches (Rabenmutter- die ganze Wahrheit über das Mutterwerden und Muttersein) ausgerechnet habe: «Ein Baby trinkt anfangs alle zwei bis drei Stunden, Dauer: mindestens dreissig Minuten. Schon die Nahrungsaufnahme des neuen Erdenbürgers kostet einen demnach bis zu sechs Stunden pro Tag! Hinzu kommen rund eineinhalb Stunden Wickeln und durchschnittlich eine halbe Stunde Spazierengehen. Fazit: Bei der nur rudimentären Säuglingsbetreuung gehen täglich bereits acht Stunden drauf! Ein Arbeitstag, sozusagen.» Was soll daran bitte schön «Urlaub» sein?

Ausruhen hin oder her, für den Gesetzgeber wurde die Mutterschaftsversicherung im Rahmen der Erwerbsersatzordnung kreiert und wird eigentlich als Krankheit behandelt. Ein Witz, wenn man bedenkt, dass Frauen dafür geschaffen wurden, und ein Kind gebären eben alles andere als eine Krankheit darstellt. Und es wird immer unverständlicher. Denn die, deren Uterus kein Kind heranwachsen sieht, und ein Kind adoptieren müssen, erhalten keinen bundesgesetzlich geregelten Mutterschaftsurlaub (Gemäss Fachstelle für Adoption zumindest in der Privatwirtschaft. Staatsangestellte haben höhere Chancen auf eine Pause). Weil sie ja nie schwanger waren und sich deshalb nicht zu erholen brauchen, sollten acht Wochen doch wohl genügen. Wie bei Vätern eben auch. 

Diese Frage beschäftigt zurzeit auch die Gerichte an der amerikanischen Westküste. Kara Krill arbeitete in einer leitenden Position und erfuhr nach der Geburt ihres ersten Kindes, dass sie keine weiteren haben könnte. Also entschieden sie und ihr Mann sich für das zweite Kind eine Leihmutter zu beauftragen. Ihr Arbeitgeber, der ihr nach der ersten Geburt 13 Wochen Mutterschaftsurlaub gewährte, weigerte sich bei den Zwillingen, dasselbe zu tun. Vielmehr erhielt sie dieselbe Anzahl Urlaubstage, die auch frisch gebackene Väter erhalten: Fünf Tage. Begründung: Sie habe das Kind nicht selber zur Welt gebracht.

Die Leihmutterschaft ist in der Schweiz zwar verboten, das Problem bleibt aber bei einer Adoption dasselbe. Was genau heisst Mutterschaft? Ist nur wer selber gebärt, eine «beurlaubungswürdige» Mutter? Geht es denn während dieser 16 Wochen nicht auch darum, der Mutter Zeit mit ihrem Neugeborenen zu geben? Wer bitte schön kann von einer frisch gebackenen Mutter verlangen, ihr sechs Wochen altes Baby fremd betreuen zu lassen? (Eine Adoption ist in der Schweiz frühestens ab der sechsten Woche möglich.) All diese Fragen gelten übrigens auch für Väter, es gibt heute keinen Grund anzunehmen, Väter hätten einen Vaterschaftsurlaub weniger verdient als Mütter. (Oder wie ein bekannter Vater vor Kurzen argumentierte: «Schliesslich haben wir während der neun Monate Schwangerschaft auch Strapazen durchlebt, wir mussten eine Schwangere aushalten!»)

Mit dieser Fragestellung konfrontiert, überlege ich mir sogar, ob eine Adoptivmutter nicht gerade, WEIL es nicht ihr Kind ist, NOCH mehr Zeit bräuchte, ihre Mutterschaft in der vollkommen neuen Situation zu «üben». Was meinen Sie? Sollte man zwischen leiblicher und Adoptivmutter unterscheiden? Wofür steht für Sie der Mutterschaftsurlaub?

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Allerwichtigste

    Als ich mir überlegt habe, was ich nach all den Jahren hier mit euch teile, war das erste Thema ziemlich klar: Was ist das Wichtigste für dich als Mutter? In der Schwangerschaft, bei der Geburt, als die Kinder klein waren und heute? War es immer dasselbe? Natürlich sind die Kinder das Wichtigste, die Partnerschaft, eine gewisse Sicherheit, auch finanziell. Aber das meine ich nicht.  Was hat dir das Überleben als Mutter sozusagen gesichert? Wie hast du die langen Tage geschafft, den wenigen Schlaf gemeistert, den Frust, die Sorgen, die Selbstzweifel? Na?  Ich kann ja nicht für alle reden, aber bei mir waren es - abgesehen von meinem Mann - ganz klar: die Frauen in meinem Leben. Meine Freundinnen. Ohne die ich wohl früher oder später wahlweise abgehauen, durchgedreht oder zusammengebrochen wäre. In dieser oder einer anderen Reihenfolge.  Meine Freundinnen sind mein Fels in der Brandung. Mein Punching Bag. Meine Klagemauer. Es sind Mütter von älteren, aber auc...

Die Hormonhölle

  Wer mich bzw. Rabenmutter (Blog und Buch) noch nicht kennt, braucht für diesen Text eine kurze Orientierung: Bei Sassines sind wir 2 Männer (Vater und Sohn, 21) und zwei Frauen (Tochter, bald 17, und ich). Soviel zur Demografie des Hauses. Als mein Sohn in die Pubertät kam, gab es schwierige Zeiten. Wir sind uns sehr ähnlich, will heissen, wir sagen, was ist. Sowohl im Positiven, wie aber auch im Negativen. Wenn uns also etwas nicht passt, meckern wir genauso, wie wir spontan «Ich liebe dich» sagen können. Jedoch gab es Zeiten, da war es kein meckern mehr, vielmehr gingen wir uns regelmässig an die Gurgel mit ausgewachsenen Wutanfällen, die einem Orkan ähnelten. Sowohl in der Kraft, als auch in der Lautstärke. Diese endeten jeweils mit einem Türenschletzen seiner- und einer Putzaktion meinerseits (Ich putze nicht gerne, ausser ich bin wütend. Meine Laune lässt sich also direkt an der Sauberkeit unseres Hauses messen.) Die anderen zwei Sassines, Vater und To...

Wenn nichts mehr geht - knapp am Burnout vorbei

Monatelang stand ich unter Strom. Dann kam der Stromausfall. Wie ich an einem Burnout vorbeirasselte… Das Hirn läuft auf Hochtouren.  Verträge aushandeln . Kuchen backen für diverse Schulevents. Den Grossen zur Töffliprüfung fahren. Hat mein Mann jenen Termin gesehen? Nochmal überprüfen. Die Grossmutter zum Arzt begleiten. Schon wieder ein Mail von diesem Geschäftspartner, dessen niveauloser Ton an Trump erinnert. Und noch ein Problemfall mit Kunden, den wir zwar nicht verschuldet haben, aber ausbaden müssen. So sahen meine letzten Monate aus. Eure vielleicht auch.   Weiterlesen auf Any Working Mom. ( Photo by  Dingzeyu Li  on  Unsplash )