Direkt zum Hauptbereich

Learning by watching

Sie kommen! Die bösen, gierigen, baby-verschlingenden TV-Macher, die unsere Kinder zu tumben, glotzenden Couch-Potatoes verwandeln, die bald so süchtig nach der Kiste sein werden, dass sie sogar vergessen, mit ihren geliebten pädagogisch wertvollen Holzwürfeln zu spielen!

So, oder fast, klingt es zur Zeit in der Presse, die uns die Ankunft von Baby TV und ähnlichem in der Schweiz ankündigen. „Ärzte, Psychologen und Medienpädagogen sind über den Trend besorgt.“ Schrieb auch die Sonntagszeitung. TV für Säuglinge, wo gibt’s denn so was? Na überall, ausser hier. Bis jetzt. Die Zielgruppe ein- bis dreijähriger Säugling wurde schon vor ein paar Jahren entdeckt, heute erreicht der israelische Sender „Baby TV“ rund 40 Millionen Haushalte weltweit!

Was Erfolg hat, muss aber noch lange nicht gut sein. Kinder unter zwei Jahren sollten nicht fern sehen, warnen Kinderärzte explizit. Sie könnten noch nicht zwischen Fiktion und Realität unterscheiden und müssten ihre Welt erst „live“ erleben, bevor man sie vor den Fernseher setzen darf. Klingt vernünftig.

Nun muss ich ehrlich gestehen, dass meine Kinder schon vor ihrem zweiten Geburtstag fern sehen durften. Ich nutzte die mediale Nanny in Form einer Pingu-DVD, wenn ich mal duschen wollte, was ja schon lange nicht mehr jeden Tag vorkam. Doch soll ich Ihnen mal was sagen? Meine Kinder machten mir einen gehörigen Strich durch die Rechnung, weil sie sich in dem Alter schlicht kein bisschen für den Kasten vor ihnen interessierten! Sie kamen viel lieber mit Mami ins Badezimmer, probierten den Seifenspender aus oder versuchten, sich mit der Klobürste die Zähne zu putzen. Ich musste sie also zum TV erziehen, um meine Umwelt nicht mit Körpergerüchen zu belästigen.

Und Erziehung ist meines Erachtens auch bei diesem Sturm im Wasserglas wieder einmal das einzig wahre Problem: Es kann doch so viele Babysender geben, wie es Babies gibt, aber wenn die Eltern kontrollieren, ob, wie lange und was das Kind schaut, sind diese genauso gut oder schlecht, wie Bilderbücher. Denn auch diese sind auf Kinder ausgerichtet und bezwecken einen gewissen pädagogisches Ziel. „Wie macht die Kuh?“ oder „Der Ball ist rund.“ sind nicht per se schlechte Informationen, bloss weil sie im Buch oder Fernseher zu sehen sind. Schliesslich haben die wenigsten von uns eine Kuh zur Hand. 
Auch das Programm von Baby TV möchte unseren Kindern etwas beibringen. Dass dies nicht über lange Zeit und von den Eltern unkontrolliert geschehen darf, ist wohl selbstredend. Meiner Erfahrung nach, dürfte ein solches Programm sowieso genau eine Sendung wieder und wieder spielen, die Kleinen wollen nun mal alles hundertmal wiederholt sehen. Das sehen wir jeden Abend bei der Gute-Nacht-Geschichte. Deshalb sollten wir dem Aufschalten dieser Sender mit Gelassenheit entgegensehen. Und den Fernseher mit Verstand einschalten. Oder eben nicht. Denn auch dieser Konsum will gelernt sein.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Allerwichtigste

    Als ich mir überlegt habe, was ich nach all den Jahren hier mit euch teile, war das erste Thema ziemlich klar: Was ist das Wichtigste für dich als Mutter? In der Schwangerschaft, bei der Geburt, als die Kinder klein waren und heute? War es immer dasselbe? Natürlich sind die Kinder das Wichtigste, die Partnerschaft, eine gewisse Sicherheit, auch finanziell. Aber das meine ich nicht.  Was hat dir das Überleben als Mutter sozusagen gesichert? Wie hast du die langen Tage geschafft, den wenigen Schlaf gemeistert, den Frust, die Sorgen, die Selbstzweifel? Na?  Ich kann ja nicht für alle reden, aber bei mir waren es - abgesehen von meinem Mann - ganz klar: die Frauen in meinem Leben. Meine Freundinnen. Ohne die ich wohl früher oder später wahlweise abgehauen, durchgedreht oder zusammengebrochen wäre. In dieser oder einer anderen Reihenfolge.  Meine Freundinnen sind mein Fels in der Brandung. Mein Punching Bag. Meine Klagemauer. Es sind Mütter von älteren, aber auc...

Die Hormonhölle

  Wer mich bzw. Rabenmutter (Blog und Buch) noch nicht kennt, braucht für diesen Text eine kurze Orientierung: Bei Sassines sind wir 2 Männer (Vater und Sohn, 21) und zwei Frauen (Tochter, bald 17, und ich). Soviel zur Demografie des Hauses. Als mein Sohn in die Pubertät kam, gab es schwierige Zeiten. Wir sind uns sehr ähnlich, will heissen, wir sagen, was ist. Sowohl im Positiven, wie aber auch im Negativen. Wenn uns also etwas nicht passt, meckern wir genauso, wie wir spontan «Ich liebe dich» sagen können. Jedoch gab es Zeiten, da war es kein meckern mehr, vielmehr gingen wir uns regelmässig an die Gurgel mit ausgewachsenen Wutanfällen, die einem Orkan ähnelten. Sowohl in der Kraft, als auch in der Lautstärke. Diese endeten jeweils mit einem Türenschletzen seiner- und einer Putzaktion meinerseits (Ich putze nicht gerne, ausser ich bin wütend. Meine Laune lässt sich also direkt an der Sauberkeit unseres Hauses messen.) Die anderen zwei Sassines, Vater und To...

Wenn nichts mehr geht - knapp am Burnout vorbei

Monatelang stand ich unter Strom. Dann kam der Stromausfall. Wie ich an einem Burnout vorbeirasselte… Das Hirn läuft auf Hochtouren.  Verträge aushandeln . Kuchen backen für diverse Schulevents. Den Grossen zur Töffliprüfung fahren. Hat mein Mann jenen Termin gesehen? Nochmal überprüfen. Die Grossmutter zum Arzt begleiten. Schon wieder ein Mail von diesem Geschäftspartner, dessen niveauloser Ton an Trump erinnert. Und noch ein Problemfall mit Kunden, den wir zwar nicht verschuldet haben, aber ausbaden müssen. So sahen meine letzten Monate aus. Eure vielleicht auch.   Weiterlesen auf Any Working Mom. ( Photo by  Dingzeyu Li  on  Unsplash )