Direkt zum Hauptbereich

Muttertier oder Rassistenschwein?

Wie bereits erwähnt, ziehen wir auf's Land. In unserem Dorf herrscht ein Ausländeranteil von gerade mal 7,5%. Finde ich nicht so toll, ehrlich gesagt.

Ich hatte schon mit diversen Personen Diskussionen über den Ausländeranteil in der Schweiz allgemein und in unserem Kreis (Zürich 11, ca. 30%) im speziellen. Jedesmal ärgerte ich mich über die Heuchlerei, wenn es früher oder später hiess: "Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber..." und dann irgendwelche scheinheiligen Erklärungen kamen, die schliesslich immer darauf hinauslaufen, dass pauschalisiert wird. Und das ist Rassismus, das kann man drehen und wenden, wie man es will.

Nun geht es mir jedoch manchmal auch nicht anders als Michèle Rothen in ihrer neusten Kolumne "I love Ausländer". Es gibt Momente, da frage ich mich, wie rassischtisch ich selber bin. Vielleicht muss ich hier noch erwähnen, dass ich selber Ausländerin bin, mit einem halben Ausländer verheiratet und meine Kinder kennen nicht einmal die Hälfte ihrer Nationalitäten. Unsere Freunde sind vorwiegend Schweizer oder Secondos. Da fängt es eben schon an. Wieso habe ich keine Nigerianer, Pakistaner oder Letten unter meinen Freunden? Hat sich nie so ergeben, das die billige Ausrede. Habe ich nie bewusst gesucht, so meine ehrliche Antwort.

Je älter ich werde und vor allem, seit ich Kinder habe, merke ich, dass auch ich reflexartige Vorurteile habe, wenn es um Ausländer geht. Ein Beispiel: Gepäckkontrolle am Flughafen Zürich. Ein olivhäutiger Mann (für das Banausenauge ein Araber, Türke oder ähnlich) steht mit uns in der Schlange. Ich erschrecke ab meinen eigenen Gedanken, die zwar nur den Bruchteil einer Sekunde dauern, nichtsdestotrotz da sind. Was will der Mann in unserem Flugzeug? Gehört er einer Terrorgruppe an? Hat er eine Hightech-Bombe dabei, die noch keiner kennt und deshalb niemand danach sucht? Ich gebe es zu, solchen Scheiss habe ich mir überlegt. Denn als Mutter wurde ich zum Tier, dem es nur darum geht, seinen Nachwuchs wenn nötig mit Gewalt zu beschützen.

Ein weiteres Beispiel: Gespräch mit einem Bankberater. Ostschweizer in den Fünfzigern mit Familie und Eigentumswohnung. Ich war begeistert von ihm und seiner Art, denn ich dachte, wir hätten in etwa dieselben Wertvorstellungen. Und ertappe mich dabei, dass ich froh bin, keinen 25-jährigen Secondo vor mir zu haben mit Gel-Frisur, dessen Akzent seine Wurzeln nie und nimmer vertuschen wird und der mir was zu verkaufen versucht. In diesem Fall habe ich sogar zwei Vorurteile: In Bezug auf seine Herkunft UND sein Alter. Ich finde mich grässlich bünzlig in diesem Moment. Und doch werde ich weiterhin lieber unser Geld bei 50-jährigen Schweizern als 25-jährigen Secondos anlegen. Sorry.

Gleichzeitig befürchte ich, dass meine Kinder in einem Dorf mit 7,5% Ausländeranteil einen etwas engen Horizont haben könnten. Werden sie zu Landeiern, wenn sie nicht mehr täglich Frauen mit Kopftüchern und kleine Jungs mit blauen Fussball-Shirts sehen? Kindern bringt eine Multi-Kulti-Gesellschaft doch extrem viel. Mein Grosser wusste bereits in der Krippe, dass gewisse Kinder kein Säulifleisch essen und dass Afrikaner manchmal auch französisch sprechen. Er hatte nie das Gefühl, diese Menschen seien "anders" im negativen Sinn. Und dass gewisse Krippenleiterinnen einen Akzent hatten, war ihm erst recht egal. Ich nahm mir damals vor, ihm das abzuschauen und eben mit offenem Blick auf alle zuzugehen. Dank der negativen Berichterstattungen gelingt mir das aber immer weniger.

Die meisten finden, ich solle mich freuen, dass ich mich wahrscheinlich nie mit Sprachproblemen in der Schule werde herumschlagen müssen. Ich glaube aber trotzdem, dass ich unser buntes Quartier vermissen werde, auch wenn die Italos meinem Mann (er ist Franzose) dauernd unter die Nase reiben, sie seien "Campioni del mondo" und Zidane ein Idiot...


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Allerwichtigste

    Als ich mir überlegt habe, was ich nach all den Jahren hier mit euch teile, war das erste Thema ziemlich klar: Was ist das Wichtigste für dich als Mutter? In der Schwangerschaft, bei der Geburt, als die Kinder klein waren und heute? War es immer dasselbe? Natürlich sind die Kinder das Wichtigste, die Partnerschaft, eine gewisse Sicherheit, auch finanziell. Aber das meine ich nicht.  Was hat dir das Überleben als Mutter sozusagen gesichert? Wie hast du die langen Tage geschafft, den wenigen Schlaf gemeistert, den Frust, die Sorgen, die Selbstzweifel? Na?  Ich kann ja nicht für alle reden, aber bei mir waren es - abgesehen von meinem Mann - ganz klar: die Frauen in meinem Leben. Meine Freundinnen. Ohne die ich wohl früher oder später wahlweise abgehauen, durchgedreht oder zusammengebrochen wäre. In dieser oder einer anderen Reihenfolge.  Meine Freundinnen sind mein Fels in der Brandung. Mein Punching Bag. Meine Klagemauer. Es sind Mütter von älteren, aber auc...

Die Hormonhölle

  Wer mich bzw. Rabenmutter (Blog und Buch) noch nicht kennt, braucht für diesen Text eine kurze Orientierung: Bei Sassines sind wir 2 Männer (Vater und Sohn, 21) und zwei Frauen (Tochter, bald 17, und ich). Soviel zur Demografie des Hauses. Als mein Sohn in die Pubertät kam, gab es schwierige Zeiten. Wir sind uns sehr ähnlich, will heissen, wir sagen, was ist. Sowohl im Positiven, wie aber auch im Negativen. Wenn uns also etwas nicht passt, meckern wir genauso, wie wir spontan «Ich liebe dich» sagen können. Jedoch gab es Zeiten, da war es kein meckern mehr, vielmehr gingen wir uns regelmässig an die Gurgel mit ausgewachsenen Wutanfällen, die einem Orkan ähnelten. Sowohl in der Kraft, als auch in der Lautstärke. Diese endeten jeweils mit einem Türenschletzen seiner- und einer Putzaktion meinerseits (Ich putze nicht gerne, ausser ich bin wütend. Meine Laune lässt sich also direkt an der Sauberkeit unseres Hauses messen.) Die anderen zwei Sassines, Vater und To...

Wenn nichts mehr geht - knapp am Burnout vorbei

Monatelang stand ich unter Strom. Dann kam der Stromausfall. Wie ich an einem Burnout vorbeirasselte… Das Hirn läuft auf Hochtouren.  Verträge aushandeln . Kuchen backen für diverse Schulevents. Den Grossen zur Töffliprüfung fahren. Hat mein Mann jenen Termin gesehen? Nochmal überprüfen. Die Grossmutter zum Arzt begleiten. Schon wieder ein Mail von diesem Geschäftspartner, dessen niveauloser Ton an Trump erinnert. Und noch ein Problemfall mit Kunden, den wir zwar nicht verschuldet haben, aber ausbaden müssen. So sahen meine letzten Monate aus. Eure vielleicht auch.   Weiterlesen auf Any Working Mom. ( Photo by  Dingzeyu Li  on  Unsplash )