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Ich bin auch eine Einkaufsliste

Wer macht mehr im Haushalt? Ewig gleiches Thema mit überraschendem Resultat. Eine Frage der Speicherkapazität...


Text: Nicole Althaus für den mamablog.

«Genau so ist es!», triumphierte beim Sonntagsfrühstück mein Geliebter, schob mir die New York Times über den Tisch, die er sich auf seiner Joggingroute beschafft hatte, und sagte: «Stoff für den Mamablog». Ich warf einen Blick auf die Schlagzeile und meinte bloss, haben wir längst gehabt das Thema. «Väter sind heute so gestresst wie Mütter» stand da in grossen Lettern, darunter ausführlich aufgelistet der Leidenskatalog des neuen Vaters, der zugleich Ernährer und Erzieher sein soll und dabei in beiden Rollen ständig aneckt.

«Das mein ich nicht», sagte er und zitierte den Satz, von dem er sich Zündstoff für den Mamablog versprach: «Frauen unterschätzen permanent, was die Männer im Haushalt und in der Kindererziehung leisten.» Und das sage nicht etwa ein Mann, meinte er, sondern eine Historikerin. Eine weise Frau, fügte er noch an. Und er hatte Recht: Das Zitat sorgte für Zündstoff. An unserem Sonntagsfrühstückstisch zumindest, wo plötzlich beide aufzuzählen begannen, was sie denn alles so im Haushalt leisteten.

Er: Ich mache jeden Sonntag Frühstück. Ich: Das geht aber nur, weil ich Freitags immer einkaufe. Er: Wein und Wasser besorge ich, damit Du nicht schleppen musst. Und die Flaschen entsorge ich auch. Ich: Wenn ich Dir sage, dass es mal wieder Zeit dafür wäre… Er: Das würde ich auch selber merken. Ich: Beim Wein vielleicht. Er: Wenn Du nichts sagen würdest, könnte ich es auch mal selber merken. Ich: Warum merkst Du dann nie, wenn man wieder waschen müsste? Er: Weil die Wäsche dann immer schon im Trockenraum hängt. Ich: Eben. Und die Kinderkleider kauf auch ich. Er: Dafür bin ich für Zoo und Hallenbad zuständig. Tochter I: Wartet mal, ich liste auf, dann zählen wir aus. Er: Gut. Hallenbad gibt zwei Punkte. Dann schreib noch Autowaschen und Tanken auf, das macht Mami nie. Tochter II: Aber Daddy, das zählt nicht, das machen wir doch so gern zusammen, das ist keine Arbeit. Ich nicke meiner weisen Kleinen voller Mutterstolz zu. Er: O.k. Dann muss Mama aber auch das Kleiderkaufen streichen, das ist ihr Hobby. Tochter I: Stimmt, Mam, da hat er recht. Ich (zähneknirschend): Also gut, aber Elternabend und Prinzessinnenkleid-Nähen im Chindsgi sind mindestens 2 Punkte wert. Er: Einverstanden, dafür zählt Keller räumen dreifach. Ich: Und Betten machen täglich – 7-fach. Er: Nein, gar nicht. Das müssen doch die Kinder selber tun. Tochter I: Also, ich schreib dafür Mami einen Punkt, weil, ehrlich, manchmal hab ich morgens dafür keine Zeit. Er: Nur wenn Du mir einen Punkt gibst fürs Velo flicken, dafür hast Du auch nie Zeit.

Und so wetteiferten wir einen ganzen Zopf lang, um unsere Haushalts- und Erziehungspflichten. Würden wir jemals annähernd soviel Energie in Taten stecken, wie in Worte, führten wir einen Musterhaushalt und das Sweethome-Team hätte längst bei uns angeklopft. Tochter I notierte Punkt um Punkt, strich, korrigierte, wertete, derweil Tochter II die geistige Haushaltsführung ihrer Eltern dazu nutzte, sich ein Zopfbrot mit einer verboten dicken Schicht Nutella zu streichen. «13,14,15», zählte Tochter I und kommentierte ihre Liste dann begeistert: «15 : 15! Unentschieden!»

Unentschieden? Das konnte nicht wahr sein. Nein, das durfte nicht wahr sein. Das war doch mein Heimspiel. Ungläubig studierte ich Tochters Liste. Das Unentschieden fühlte sich mindestens so falsch an, wie das Unentschieden der Schweizer Nati gegen Honduras. Und deshalb holte ich zum alles entscheidenden Elfmeter aus: «Ich bin euer Terminkalender und das Auskunftsbüro für alle anderen.», sagte ich. «Wenn Tochter II sich im Hort übergibt, klingelt mein Handy. Wenn wir ausgehen, rufe ich zuvor den Babysitter an. Wenn ich unsere Freunde nicht einladen würde, hätten wir längst keine mehr. Sogar deine Mutter ruft mich an, wenn Sie wirklich etwas wissen will.», sagte ich und holte kurz Luft, nur ganz kurz, um ja nicht unterbrochen zu werden, denn ich war noch lange nicht fertig. Nein, ich hatte erst gerade angefangen. «Alle Arzttermine, alle Schultermine, alle Kindergeburtstage, alle Hochzeiten und Beerdigungen, einfach alles in unserem Leben muss ich mir merken. Ich bin auch ein Terminkalender. Das ist ein logistisch und psychologischer Grossaufwand. Ich jedenfalls hab noch nie einen Mann getroffen, der in seinem iPhone Kindergeburtstage gespeichert hat oder dessen Blackberry ihn mit einer Mitteilung daran erinnert, das Abschiedsgeschenk für Lehrerin zu kaufen.»

«Das mag stimmen», sagte er. «Aber dafür können ich und alle anderen Männer nichts. Es ist nicht mein Fehler, wenn die Schule noch immer glaubt, dass nur eine Mutter ein kotzendes Kind abholen kann. Wenn die Schulzahnärzte meinen, dass die Mama fürs Gebiss zuständig sei. Oder andere Mütter Dich anrufen, wenn sie Kindergeburtstage planen. Und es ist nicht mein Fehler, wenn Du glaubst, über alles Agenda führen zu müssen!»

Auch wieder wahr, dachte ich. Und fragte mich den Rest des Sonntags: Wie können wir Mütter die mentale Checkliste in unseren Hirnen auf die Festplatte der Väter laden? Warum gibt es dafür auch 2010 noch kein WiFi? Unterschätzen wir die väterliche Mitarbeit nur deshalb, weil wir mental stets mit Kinderkram überlastet sind?

Kommentare

Angelika Diem hat gesagt…
Das sind richtig weise Töchter.
Unterm Strich ist es doch ein Glück, wenn Papa und Mama sich Aufgaben teilen, auch wenn es sich für die Mama immer anfühlt, als bliebe der Löwinnenanteil an ihnen hängen.

Noch eine schöne zweite Wochenhälfte

Liebe Grüße
Angelika

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