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Papa sein und Mann bleiben

«Papa steht seinen Mann» ist ein Ratgeber für Männer. Der von Frauen gekauft wird.

Vor Kurzem schrieb Frau Althaus im Blog von wir eltern «Mittlerweilen gibt es Mütter, die als Autorinnen oder Bloggerinnen das schlechte Gewissen vor sich her tragen wie ein besonderes Talent. Sie machen Karriere, bloss weil sie öffentlich gestehen, Rabenmütter zu sein und ihre Kinder gelegentlich vor dem TV zu parkieren.» Wie wahr. Aber nicht nur Rabenmütter machen mit ihrem Muttersein Schreib-Karriere, die Väter stehen dem in nichts nach. Ausser, dass sie eben keine Rabenväter sind, wenn sie am Spielplatzrand eine Zigarette rauchen oder über die Schwangerschaft ihrer Frau nicht auf Anhieb super-happy sind. Väter sind eben irgendwie cooler. So auch Sven Broder.

Mit «Papa steht seinen Mann» bringt der Beobachter-Kolumnist und Hauswart den ersten richtigen Männer-Erziehungs-Berater auf den Markt. Eigens für die Papis – oder in spe – die eben doch genauer wissen wollen, was nach dem «Pfff» passiert. Was erwartet einen Mann während der neun verrücktesten Monate im Leben einer Frau? Ist es o.k., ins Kinderbecken zu pinkeln? Und sind biertrinkende Männer eben doch cooler?

Es gibt Passagen in diesem Ratgeber, die wie eine Erleuchtung (auch oder vor allem für uns Frauen) sind: «Frau hat gegenüber Mann den Vorteil, dass sie allein ist, wenn sie über den Schwangerschaftstest pinkelt...» Schon mal darüber nachgedacht? Die armen Männer – und das meine ich ausnahmsweise nicht ironisch – sind NIE alleine, wenn sie die tolle Nachricht erfahren! Stellen Sie sich vor, Sie hätten sofort irgendeine, wenn möglich positive, Reaktion zeigen sollen, als Sie das Plus auf dem Stäbchen entdeckten! Es gibt kaum eine intimere Situation und die sollte man doch in trauter Einsamkeit erleben dürfen, oder nicht? Und da wir werdenden Mütter in dem Moment kaum ertragen würden, dass er seinen wahren Gefühlen freien Lauf lässt – auch Herr Broder rät vehement davon ab – schmecken unsere Erinnerungen an die Bekanntgabe doch meist etwas fade, nicht?

Das Buch ist eine witzig geschriebene Ansammlung von Tipps, wie Mann sich zu verhalten hat – oder eben lieber nicht. «Tuet's fescht weh?» ist im Kreisssaal beim besten Willen nicht angebracht, auch auf der Sprossenwand rumturnen ist während der Geburt ebenfalls nicht so gerne gesehen. Ausser er will rausgeschickt werden, um dem Ganzen zu entgehen (das scheint offenbar der Wunsch vieler Männer zu sein). Der Vater zweier Kinder erfindet ausserdem gerne Wörter, um unangenehmen Dingen oder unaussprechlichen Handlungen etwas Nettes abzugewinnen: «Füdlirakete», «Flötensolo» und «Arschfax» sind nur ein paar davon. Hatte ich schon erwähnt, dass seine Sprache eher derb ist? Vielleicht lesen Männer erst, wenn diverse Ausdrücke für Hintern mehrmals in einem Buch vorkommen, kann das sein?

Sehr ausführlich – und deshalb für uns Frauen Gold wert – wird der Kolumnist, wenn es um den Sex in einer Beziehung geht. Dass Männer immer wollen und auch ohne uns tun, wussten wir schon, das Wieso und Warum ist zum Teil jedoch höchst interessant und wenn nicht immer neu, so doch sehr unterhaltsam. Die Beziehung ist übrigens das Thema, das dem Autor neben Schwangerschaft und Erziehung sehr am Herzen zu liegen scheint. Eine Familie ist für ihn ein Team, das zusammenspielt, manchmal ist der eine, manchmal die andere an der Spitze, doch gewinnen und verlieren tun immer alle.

Nun wage ich es jedoch, eine Behauptung aufzustellen: Männer, die noch nie einen solchen Ratgeber gelesen haben, werden auch diesen links liegen lassen. Ihre Frauen werden ihn zwar kaufen, denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Doch auch «Papa steht seinen Mann» wird höchstwahrscheinlich auf dem Nachttisch verstauben. Denn ein Mann, der einen Ratgeber zur Schwangerschaft seiner Frau lesen möchte, liest eben auch «Glücklich schwanger von A bis Z» oder so ähnlich. Das sind dieselben, die tagein, tagaus mit dem Tragetuch umgebunden rumlaufen und die chemische Zusammensetzung von Bisphenol kennen. Und da liegt eben das Dilemma: Männer, die Ratgeber lesen sind nicht sexy. Sven Broder ist es geblieben. Leider hat er dieses Rätsel in seinem Buch nicht gelüftet.

Sven Broder, «Papa steht seinen Mann», erschienen 2011 im Beobachter Bucherverlag, CHF 33.00

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