Wie funktioniert richtige Erziehung?

Wie erziehe ich mein Kind richtig? Wann soll man reden, wann befehlen? Was kann man alles falsch machen? Es gibt tonnenweise Literatur. Die Weltwoche hat Fachleute und Mütter befragt.

Von Daniela Niederberger

Wie man es nicht machen soll, wissen wir alle. Im Tram sitzt ein kleiner Junge hinten auf dem Heckführerstand. Mit den Füssen kickt er gegen die Blechwand, was einen anständigen Krach macht. «Hör uf, Schätzeli», sagt seine Mutter und schwatzt mit der Kollegin. Das Schätzeli kickt weiter. «Hör uf, Lou, das stört die Leute.» Der Lärm hört nicht auf, ans Lesen ist nicht mehr zu denken. Nimm den Gof doch einfach runter, denkt der genervte Fahrgast.
Vor dem Kiosk brüllt ein kleines Mädchen so lange, bis sein Mami nicht mehr «Nein!» sagt, sondern seufzt: «Also gut, ausnahmsweise», und die Glace kauft. Viel Glück beim nächsten Kiosk, wünscht in Gedanken die Passantin.

Wie aber erzieht man sein Kind richtig? Man will, dass es gehorcht, und möchte doch kein Diktator sein. Man wünscht ihm Selbstbewusstsein und eine freie Entfaltung seiner Persönlichkeit und will dabei als Mutter und Vater nicht unter die Räder kommen. Man möchte es einbinden in Entscheide und doch nicht dauernd Grundsatzdiskussionen führen.

Früher war es einfach. «Da machte man es, wie es schon die Eltern gemacht hatten», sagt der Zürcher Pädagogikprofessor Jürgen Oelkers. «Die Grundregeln der richtigen Erziehung wurden über die Generationen weitergegeben. Das ist vorbei.» Wir leben in Zeiten, wo es keine Konventionen mehr gibt. «‹Man tut doch . . .›, ‹So gehört es sich . . .›, das ist alles aufgelöst», sagt Martin Inversini. Er leitete fast vierzig Jahre lang die Erziehungsberatung Langenthal. Da konnte er die Veränderungen gut beobachten. Er spricht von einer «grossen Unsicherheit». Heute muss jedes Paar für seine Kernfamilie die Erziehung quasi neu erfinden. Das ist anstrengend und kann verwirrend sein. Wohl deshalb boomen Erziehungskurse und gibt es eine solche Fülle an Ratgeber-Büchern. Doch was gilt, wenn ein Ratgeber dies rät, der andere das?

Manche Pädagogen sagen, es gebe kein richtiges oder falsches Erziehen. Sie scheuen Rezepte und Tipps wie der Teufel das Weihwasser. Und doch, das ist unbestritten, gibt es Kinder, die kooperativ, verlässlich, offen, zutraulich, selbstbewusst und anständig sind. (Sie sind sicher in der Mehrheit.) Und es gibt Kinder, die sind das nicht. Irgendetwas müssen die einen Eltern also richtig machen und die anderen falsch. Es muss irgendwelche ewigen Werte des guten Erziehens geben.

In Gesprächen mit Eltern und mit erfahrenen Erziehungsberatern, Elternbildnerinnen und Jugendberatern haben sich folgende Punkte herauskristallisiert:

Liebe und Geborgenheit

Man mag sagen: Logisch, alle Eltern lieben doch ihre Kinder. Oder jedenfalls fast alle. «Aber zeigen sie es immer?», fragt Kathie Wiederkehr. Sie leitete im Kanton Zürich die Kampagne «Stark durch Erziehung» des Schweizerischen Bundes für Elternbildung. Es wurden acht Grundsätze genannt, die gute Erziehung ausmachten. Zuoberst stand «Liebe schenken: Einem Kind Liebe zu schenken, bedeutet, es anzunehmen, wie es ist, und ihm das auch zu zeigen. Kinder und Jugendliche brauchen dieses Gefühl der Geborgenheit, um Selbstvertrauen zu entwickeln und angstfrei ihre Stärken und Schwächen kennenzulernen.»

Martin Inversini, der langjährige Erziehungsberater, sagt: «Kinder brauchen von A bis Z jemanden, der sich ihnen bedingungslos freundlich zuwendet, zärtlich und gefühlvoll. Sie brauchen verlässliche Eltern, die berechenbar da sind. Unzuverlässigkeit, da sein und dann doch nicht, versprechen und nicht einhalten, das ist für ein Kind sehr schädlich.»

Zuhören und sich Zeit nehmen

Eigentlich auch eine Banalität. Doch wie oft hören wir wirklich richtig hin? Christin Aannerud gibt Kurse mit dem Titel: «So reden, dass Kinder zuhören, und so zuhören, dass Kinder reden». Der Zulauf ist gross. Eltern wollen wissen, wie sie mit ihrem Kind reden sollen. Oft geht es darum, dass das Kind nicht spurt oder gehorcht oder, wenn es älter ist, nichts von sich erzählt und sich abkoppelt.

«Ich erlebe, dass das richtige, aktive Zuhören für viele Leute sehr schwierig ist», sagt Aannerud. Zwischen Kochen und Abwaschen sagt die Mutter: «Jaja, ich höre zu.» Nur wem richtig zugehört wird, der fühlt sich angenommen. Man sollte sich dem Kind, das etwas erzählen will, zuwenden, vielleicht zu ihm runterknien, mit ihm absitzen. Aannerud sagt: «Wer sein Kind ernst nimmt, wird auch eher gehört.» Wer sich mit dem Kind auseinandersetzt, auch Unangenehmem nicht ausweicht, hat eine echte Beziehung und wird es später in den schwierigen Jahren der Pubertät einfacher haben, den Zugang nicht zu verlieren.

Kathie Wiederkehr erzählt von einer Mutter, die klagte, es stinke ihr so, mit ihrer Tochter basteln zu müssen. Wiederkehr schlug vor, sie solle sie doch beim Kochen mithelfen lassen. Die Mutter: «O nein, allein geht das viel effizienter.» Was sicher stimmen mag. Doch verwehrt man dem Kind damit «eine schöne Alltagserfahrung», so Wiederkehr. Sie habe ihrem Sohn früher immer gesagt: «Komm, du musst mir kochen helfen.» So dass er als kleines Kind das Gefühl hatte, seine Mutter schaffe es nicht ohne ihn, was ihn riesig stolz machte. Entsprechend früh habe er für die ganze Familie gekocht.

Auch der Kinderpsychologe Remo Largo, dessen Bestseller «Babyjahre» und «Kinderjahre» für viele Eltern unverzichtbare Ratgeber sind, schreibt: Spielsachen seien das eine, viel wichtiger aber sei es für Kinder, im Alltag mithelfen zu dürfen. Auch wenn dann alles
etwas länger geht.

Klarheit, Übersicht und Regelmässigkeit

«Kinder haben das Bedürfnis nach Übersicht und Zusammenhang», sagt Martin Inversini. «Sie leiden im Chaos, in der Unberechenbarkeit, in der Unübersichtlichkeit. Wenn solches zu lange dauert, nehmen sie Schaden.» Mit Chaos ist gemeint: unstete Beziehungen, immer neue Leute, die zum Kind schauen, neue Partner der Eltern. Gemeint sind aber auch unregelmässige Tagesabläufe. Kinder fühlen sich sicher, wenn Ordnung ist in den Dingen. Wenn der Tag nach einem gleichbleibenden Zeitmuster abläuft. Wenn klar ist, wie was geht. Das fällt einem etwa dann auf, wenn die Kinder nicht mit dem Essen beginnen wollen und rufen: «Mami, wir brauchen noch das Lätzli!»

Petra Gassmann ist Mutter eines zweieinhalbjährigen Buben und eines achtmonatigen Babys. Sie ist froh um feste Tagesabläufe mit einem Mittagsschlaf der Kinder und einem immergleichen Ritual am Abend: Schoppen trinken, Zähne putzen, Buch anschauen, Licht löschen, Musikdose aufziehen. «Das ist inzwischen so zur Gewohnheit geworden, dass wir nie ein Problem mit dem Einschlafen haben», sagt sie.

Geduld, Gelassenheit, langer Atem

Wer Kinder hat, weiss, dass die lieben Kleinen einen zur Weissglut treiben können. Pressiert’s, haben sie garantiert etwas ganz Wichtiges im Kinderzimmer vergessen und können darum die Schuhe noch nicht anziehen. Oder sie stellen fest, dass sich mit Birchermüesli und Löffel auf dem Tisch die tollsten Zeichnungen anfertigen lassen. Da ist ruhig bleiben nicht immer einfach.

Petra Gassmann arbeitet als Psychologin mit verhaltensauffälligen Kindern und ihren Eltern. Sie weiss, wie wichtig Gelassenheit ist. Dass die Eltern nicht ausrasten. Jetzt ist sie selber Mutter und hat sich vorgenommen, von ihren Kindern keine sofortigen Verhaltensänderungen zu erwarten. Sie rechnet bewusst mit längeren Zeitspannen. «Ich erwarte nicht, dass mein Sohn bei einem Nein immer sofort gehorcht. Sonst wird es destruktiv.» Sie bleibt einfach dran, bis es klappt. Morgen, übermorgen. «Das nimmt Druck weg und gibt Handlungsspielraum.» Sonst, befürchtet sie, schlage man sein Kind irgendwann. Und das, haben sie und ihr Mann sich vorgenommen, wollen sie nie. Das Baby Malin und der kleine Linus sind friedliche, fröhliche und ausgeglichene Kinder. Läuft es doch mal nicht rund, sagt Petra Gassmann vor dem Einschlafen zu Linus: «Gell, heute hatten wir Ärger miteinander. Morgen wird es wieder besser.» (Das hat sie einer Kollegin abgeschaut.)

Sie und ihr Mann sind auch keine «Trimmer», wie sie sagt. Nimmt Linus zum Essen das Gäbeli, gut; nimmt er die Hände, auch gut. Man lässt ihm seine Zeit. «So haben wir nie ein Theater bei Tisch.» Den beiden ist klar, dass «Kinder in ihrer eigenen Welt leben. Ich kann dreimal sagen, wir räumen jetzt das Zimmer auf. Das hat für ihn null Priorität. Für ihn ist es gut, wie es ist. Es sind ja alle Spielsachen da.»

Halt geben, Grenzen setzen

In der Biografie eines Kindes nimmt die Schule einen zentralen Platz ein. Martin Inversini sagt: «Auf die Schule hin muss man sehr bewusst erziehen. Man kann das verfehlen, und dann fehlt den Kindern das emotionale und soziale Rüstzeug, um vom Bildungs- und Entwicklungsangebot der Schule zu profitieren. Für die Schule braucht es eine Grundverträglichkeit und Grundanpassungsfähigkeit. Es braucht ein Regelbewusstsein. Das haben viele Kinder nicht.»

Und wehe, es läuft nichts. Da heisst es bald: Es ist langweilig. «Die Kinder sind sehr erlebnisorientiert», sagt Inversini. Es gebe heute in der Schule ein Mass an Verweigerung, das früher undenkbar war. Die Schule ist ein Ort, der autoritär vorschreibt, was geht: Man hat pünktlich da zu sein, der Lehrer bestimmt, was unterrichtet wird. Da wird es schwierig, wenn ein Kind gewohnt ist, überall mitzureden.

Kinder, die stören, so hat Inversini beobachtet, kommen häufig aus Elternhäusern, die emotional viel investieren. Aus intellektuellen Milieus, wo die Kinder zu allem befragt werden: «Ist es gut so?», «Hettisch gärn?», «Tätisch nöd . . . ?». «Ich habe das hundertmal erlebt, hier in meinem Büro. Das Kind geht voraus, und muss der Mutter zeigen, wo das Sprechzimmer ist. Diese sagt: ‹Wo willst du hocken?› Ich frage die Mutter: ‹Ist ihr Kind gesund?› Sie wendet sich zum Kind: ‹Bist du gesund?›» Das Kind wächst im irrigen Glauben auf, seine Meinung sei immer gefragt und es könne zu allem seinen Senf dazugeben.

Die Hinführung zur Schule beginne vom Wickeltisch weg, so Inversini. Es gehe um den Umgang mit Impulsen und Bedürfnissen. Das Kind lernt, dass es Grenzen gibt, Dinge, die einfach sein müssen. Dass nicht jeder Wunsch erfüllt wird. Die Broschüre «Fit für die Schule» der Erziehungsdirektion des Kantons Bern empfiehlt: «Geben Sie Ihrem Kind im Warenhaus nicht nach, selbst wenn es sich schreiend auf dem Boden wälzt. Ihr Kind hat es später leichter, wenn es schon früh gelernt hat, auf etwas zu verzichten und Enttäuschungen zu überwinden.»
Ein Tag mit Kindern lässt sich in Muss- und Darf-Situationen einteilen. Ein Muss ist: jetzt Zähne putzen, jetzt an den Tisch kommen, jetzt parat machen, weil wir zum Grosi gehen, jetzt ins Bett.

Und dann gibt es die Darf-Situationen. Die Eltern stecken den Rahmen ab, innerhalb dessen das Kind tun darf, was es will. Wichtig ist, dass dem Kind immer klar ist, in welcher Situation man sich befindet. Muss-Situatio­nen sind nicht verhandelbar. «Ein Muss wird einmal begründet, nachher nicht mehr», sagt Inversini. Auf keinen Fall dürfe man dem Kind die Illusion machen, es könne mitdiskutieren. Vielmehr müsse man ihm helfen, das Unangenehme zu tun. Auch wenn es aufbegehrt, wütend wird, widerspricht, klagt.

Dazu brauche es Präsenz und innere Festigkeit. «Ich bin erstaunt, wie viele Eltern bei kleinem oder grossem Widerstand gleich die Segel einziehen, wie schnell sie weggeblasen sind», sagt Inversini. Er rät, Kinder in Muss-Situationen quasi an der Hand zu nehmen, sie zu führen. «Komm, ich helfe dir, den Fernseher abzustellen. Das ‹Sandmännli› ist vorbei.» Manche Leute glauben, es reiche, wenn sie es einmal sagten. Oder sie waschen in der Küche Geschirr ab und rufen im Crescendo in die Stube: «Fernseher abstellen!» Was, natürlich, nicht passiert. Und dann fahren sie ein wie die Amerikaner im Irak – paff! «Das ist sehr unfair. Kinder brauchen unsere Präsenz, wenn sie etwas machen müssen, aber nicht wollen. Man kann sie nicht handhaben wie ferngesteuerte Autos. Sie fahren uns aus der Frequenz.»

«Elterliche Präsenz» ist auch in den Augen von Matthias Vogt zentral. Er leitet die Jugendberatung der Stadt Zürich und hat oft mit schwierigen Jugendlichen zu tun. «Es braucht Hartnäckigkeit, wenn Kinder sich verweigern. Eltern müssen diese Verweigerung zu verstehen versuchen und gleichzeitig signalisieren, dass sie dieses Verhalten nicht dulden.»

Ihm ist in den letzten Jahren aufgefallen, dass es an dieser Präsenz mangelt. Eltern haben Hemmungen, am Leben ihrer pubertierenden Kinder Anteil zu nehmen: «Er ist eh nur mit sich beschäftigt; es sind eh nur die Kollegen wichtig; wir sind nicht mehr gefragt», sagen sie. Man will sich nicht einmischen. «Das ist ein grosser Fehler», sagt Vogt. «Die Bedeutung der Eltern ist auch für Jugendliche sehr gross, grösser, als die Eltern meinen.» Sie mögen sich noch so cool geben, tief drin brauchen sie das Bewusstsein: Meine Eltern stehen hinter mir. Viele Eltern wenden sich aber gekränkt ab, wenn der Jugendliche sich schroff und abweisend aufführt. Und vermitteln dem Kind die falsche Botschaft: Die interessieren sich nicht mehr für mich.

Etwas zutrauen, Selbständigkeit fördern

Freiräume sind für Kinder wichtig. Sie brauchen Gelegenheiten, neue Dinge auszuprobieren und Fehler zu machen. Sie sind stolz, wenn sie etwas selbst können. Eltern sollen sich nicht in das Spiel ihrer Kinder einmischen. Und nicht immer für Unterhaltung sorgen. «Lassen Sie Ihr Kind in der Langeweile durchhängen», heisst es im Ratgeber «Fit für die Schule». Es wird auf neue – manchmal auch dumme – Ideen kommen.

Selbständigkeit ist wichtig. Ebenso, das Kind seinem Alter entsprechend in Entscheide einzubinden, es ernst zu nehmen. In den Augen von Martin Inversini wird damit aber übertrieben. Er spricht von einem «Selbständigkeitsfimmel» und von «überfragten Kindern». Selbständig sein heisse selber wollen, was man kann. «Ich sehe viele aufgeblasene Kinder. Die werden unterstützt, es sieht bloss so aus, als ob sie selbständig wären.» Schon vier- und fünfjährige Kinder würden mit Velos ohne Stützräder fahren. Man binde ihnen einen Helm auf den Kopf und gehe auf die Strasse. «Jenseits! Gegen ein Auto kann man nichts ausprobieren.» Kinder in dem Alter hätten noch nicht die für den Verkehr nötige Wahrnehmungsfähigkeit. Schon Zweijährige würden von ihren Eltern in den Circus Knie mitgenommen. (Die Autorin gehört dazu, das Ganze war ein Flop, dem Töchterlein wurde es nach fünfzehn Minuten zu viel. Dafür ging man Pony reiten. Dort hoben die stolzen Väter halbe Babys in die Sättel.) Inversini verweist auf ein Buch von David Elkind: «Das gehetzte Kind. Werden unsere Kleinen zu schnell gross?»

Auch Kathie Wiederkehr beobachtet, dass manche Eltern nicht wissen, was altersgerecht ist. Beispielsweise habe eine Untersuchung gezeigt, dass Eltern ihr Kind häufig deshalb schlagen, weil es das Zimmer nicht aufräumt. Und zwar Zwei- bis Dreijährige. «Die können das noch gar nicht alleine.» Umgekehrt werde manchen Kindern viel zu früh viel zu viel geboten: Filme, Heli-Flüge, Theater. «Die werden um ihr Kindsein betrogen.»

Was das vielgerühmte «Einbinden und Ernstnehmen» anbetrifft, hegt Inversini den Verdacht, dass dies nicht selten aus Bequemlichkeit geschehe. Man will kein Gestürm, hat nicht die Kraft, nein zu sagen. Pädagogikprofessor Jürgen Oelkers von der Universität Zürich sieht das anders. Klar dürfe man nicht alles durchgehen lassen. «Das machen die Eltern auch nicht. Aber verhandeln schadet nicht. Im Gegenteil: Die Kinder werden früh an etwas gewöhnt, was sie später können müssen.» Da, wo die Kinder beteiligt seien, sollten sie mitreden.

Die grössten Schwierigkeiten

So weit, wie man es machen müsste und nicht machen sollte. Doch fragen wir Eltern. Was ist für sie das Schwierigste am Kindererziehen? Jasmin Weirauch ist Mutter von drei Kindern im Alter von sieben, acht und zehn Jahren. Nach ihrem Erziehungsstil gefragt, antwortet sie lachend: «Wie ich es gern hätte? Oder wie ich es wirklich mache?» Sie findet es schwierig, konsequent zu bleiben im Alltag. Etwa beim Essen, wenn jedes Kind erzählen und berichten will, eines aufspringt, um etwas vorzudemonstrieren. Da fragt sie sich oft: «Wie kann ich Tischregeln durchsetzen, ohne dass dies auf Kosten der Atmosphäre geht?» Als sie ein Kind war, sprach der Grossvater ein Vaterunser, dann war Ruhe am Tisch. Ihre Kinder sollen mitreden dürfen.

Manchmal denkt sie, sie sollte strenger sein. Die zehnjährige Tochter sagt ihr Dinge, die sie ihrer Mutter nie zu sagen gewagt hätte. «Ich wüsste, wie ich es machen müsste. Aber ich mache es nicht immer. Weshalb? Weil ich nicht gern strafe.» Ein Beispiel: Ihr Sohn müsste eigentlich im Haus bleiben, weil er etwas angestellt hat. Doch dann ist es ein wunderschöner Nachmittag. Und sie wird schwach. «Ich bin vielleicht nicht die perfekte Mutter, aber das wäre ja langweilig.» Auch eine andere Mutter (sie hat zwei Kinder, einen neunjährigen Sohn und eine vierjährige Tochter) tut sich schwer mit dem Konsequentsein. Aber was tun, wenn man abends müde ist und die Kinder voll aufdrehen? «Wir haben tolle Vorstellungen, wie es pädagogisch richtig wäre, ziehen es aber nicht immer durch.» Sie wäre lieber ruhig wie ihr Mann, statt laut zu werden. Doch gerade morgens, wenn alles wie am Schnürchen gehen sollte – die Kinder in die Schule fahren und um acht Uhr im Büro sitzen –, ist das nicht immer einfach. Schwierig findet sie manchmal, es auszuhalten, wenn ihr Mann anderer Meinung ist. Wenn er beispielsweise den Kindern etwas erlaubt, was sie nicht erlauben würde. Doch: «Wer zuerst etwas sagt, dessen Wort gilt.»

Für Petra Gassmann ist der Gang in die Warenhäuser nicht immer einfach. Wo ihr Bub all die schönen Sachen und feinen Süssigkeiten sieht. Wie viel soll man geben, wie viel gehört einfach dazu, wann soll man nein sagen?

Die zweifache Mutter und Kinderpsychologin sagt auch: «Um es mit den Kindern gut zu machen, braucht es ein gewisses Niveau an Zufriedenheit und Wohlbefinden.» Deshalb raten alle Erziehungsfachleute den Müttern und Vätern: sich Zeit nehmen für sich selber. Sei’s beim Lesen eines Buches, beim Nachdenken, beim Yoga – oder auch nur beim Coiffeur.

Kommentare

Anonym hat gesagt…
Klar, und wenn wir all diese Tipps nicht berücksichtigen, haben wir eben Restaurant-Verbot, wie im L'O... Ich bin der Meinung, Kinder sollen Kinder sein, zu viele Vorschriften verderben den Charakter und machen aus ihnen Hampelmänner und -frauen. Ausserdem habe ich immer das Gefühl, dass diese Psychologen selber gar keine Kinder haben und deshalb keinen blassen Schimmer, wovon sie sprechen.
Anonym hat gesagt…
Ich finde die Inputs in der Weltwoche gar nicht schlecht. Schliesslich fallen uns doch immer wieder Kinder auf, die ihre Eltern terrorisieren und beschimpfen, wenn sie älter sind. Mir hätte man damals eine gescheuert, heute sind wir pädagogisch weit genug, um unsere Kinder ohne Handgreiflichkeiten zu erziehen. Hätte von der Weltwoche erwartet, dass sie in ihrem neuen Retro-Stil Disziplin predigt, bin also positiv überrascht.
Was mir an der ganzen Sache wiedermal auffällt, ist, dass niemand die Väter um ihre Meinung gebeten hat. Wir können uns nicht dauernd beklagen, Väter seien abwesend, wenn sie bei wichtigen Themen nicht hinzugezogen werden. Manchmal möchte ich gewisse Entscheidungen zwar selber treffen, meistens bin aber doch froh, wenn der Vater meiner Kinder "sich einmischt" in Erziehungs- und anderen Fragen. Die Weltwoche scheint die matriarchalische Erziehungsfrage zu unterstützen und das, liebs Rösli, erstaunt wiederum gar nicht...
Anonym hat gesagt…
Fazit des Artikels ist wieder einmal mehr, dass man machen kann, was man will, es ist falsch. Unternimmt man etwas mit den Kindern, dann lässt man sie keine Langeweile erleben, und dies müssen sie offenbar können, um die Schule auszuhalten!!! Fahrrad sollen sie bis ins hohe Alter nur mit Stützrädern fahren, obwohl mit etweas Übung auf dem Laufrad die meisten Kinder heute spätestens mit vier problemlos ohne Stützräder fahren. Und wo sollen sie bitte schöne Fahrrad fahren, wenn es kaum mehr einen Ort gibt, der nicht von Autos in Beschlag genommen wird? Die Mütter, welche ihren Kindern im Lebensmittelgeschäft etwas kaufen, werden kritisiert, nicht jedoch die Marketingleute, welche die Positionierung von Süssigkeiten auf Kinderhändehöhe bei der Kasse veranlassen.
Lisa hat gesagt…
Ein wirklich interessanter Erfahrungsbericht - werde in diesem Blog öfter lesen ...

Lisa

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