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Bezahlbare Kinderbetreuung für... niemanden



Nach einer Woche habe ich die letzte Abstimmung verdaut. Oder fast.

Ich musste das erst einmal setzen lassen. Am 25. September 2016 durften wir Schweizer und Schweizerinnen darüber abstimmen, ob wir Kinderbetreuung bezahlbar machen wollen.Ob wir gewährleisten wollen, dass es sich für Eltern lohnt, einer bezahlten Tätigkeit nachzugehen, ohne dass der Krippenplatz den grössten Teil eines Lohnes frisst.

Dafür aufkommen sollten die Unternehmen, die ja davon profitieren, wenn mehr Arbeitskräfte (e.g. Mütter) zur Verfügung stehen. Als Unternehmerin bin ich die erste, die ein grosses Interesse daran hat, dass Mütter und Väter in der Schweiz arbeiten können, es sich leisten können, einem Beruf nachzugehen, der sie nicht nur ernährt, vielleicht sogar einen, der ihnen wirklich gefällt.
Falsch gedacht. Gegen diese Initiative waren in erster Linie die Unternehmer selber. Das koste zu viel. Es sei Sache der Gemeinden, sich um die Kinderbetreuung zu kümmern (im Kindergarten nannten wir das «Nei, du!»). Für Unternehmer ist es offenbar logischer, auf fast 50% der Arbeitskräfte zu verzichten, weil es sie zu teuer kommt. Meine Rechnung – immer noch als Unternehmerin – geht da ein wenig anders: Es kostet mich mehr, wenn eine Mutter immer wieder zu Hause bleiben muss, weil bspw. das Grosi eben nicht mehr so fit ist und das Kind gerade eben doch nicht hüten kann. Es kostet mich auch mehr, wenn der Vater gestresst ist, weil er weiss, dass er diesen Monat mit der Zahnspange und der Autoreparatur Mühe haben wird, die Krippenrechnung zu bezahlen. Auch kostet es mich viel, wenn ich schlicht keine Arbeitnehmer/innen finde, die ihre Kinder vernünftig betreuen lassen, weil es sich finanziell schlicht nicht lohnt.
Was ist denn da die Lösung? Arbeitnehmer aus dem Ausland holen? Lustigerweise sind es ja parteipolitisch dieselben, die vordergründig auch das bekämpfen wollen und sich darüber beklagen, wenn einer am Telefon einen fremdländischen Akzent hat. Was ich damit sagen will: Es sind doch die Unternehmen, die am Meisten davon profitieren, wenn unsere Kinder vernünftig betreut werden.

So, und was nun? Wie soll es weitergehen? Mit der ewig gleichen Schiene, dass Mami zu Hause bleibt, kocht, putzt, Kindernasen wischt und Papa sich auswärts hin zum Burnout schuftet? Oder gehen in diesem Land nur diejenigen Abstimmen, für die sich die Kinderbetreuungs-Kosten-Frage gar nicht stellt? Entweder, weil sie sich diese einfach leisten können oder weil eben ein Lohn für's Leben reicht?
Ich weiss es nicht. Ich verstehe es nicht. Und ich bin gespannt, was es konkret heisst, wenn die Kinderbetreuung «Sache der Gemeinden» ist. Das ist es ja jetzt schon. Jedoch gibt es noch lange nicht genug Betreuungsplätze (auf dem Land hinken wir ca. ein Jahrhundert hinterher) und schon gar keine bezahlbaren. Wie lösen wir das? Wenn ich mir die 70% Nein-Stimmen anschaue wohl gar nicht. Denn Mami gehört offenbar immer noch zum Kind und nicht ins Büro. Zumindest in 70% der Köpfe...

Dieser Text erschien erstmals auf wireltern.ch

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