Die Sache mit dem Bereuen



#regrettingmotherhood geistert durch’s Netz. Was es mit dem Bereuen der Mutterschaft auf sich hat.

Kinder machen nicht glücklich – soweit, so bekannt. Studien gingen bis anhin aber nicht weiter als diese eine Feststellung. Mit #regrettingmotherhood, dem Hashtag, der dem Artikel in der Südeeutschen Zeitung folgte,  wird jetzt auf allen Kanälen das Ergebnis der einzigen Studie thematisiert, die der tiefgreifenden Frage nachgeht: "Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie dann noch einmal Mutter werden, mit dem Wissen, das Sie heute haben?" Für die Studie wurden 23 Mütter befragt (die geringe Anzahl Befragter ist in meinen Augen nur eines der Probleme). Ihre Antwort? "Nein". Mehrheitlich.

Haben Sie schon mal bereut, Mutter zu sein? Ich schon. Immer wieder ein paar Minuten, einen halben Tag, eine Woche lang. Wenn ich wiedermal eine Offerte schreibe für ein romantisches Hotel auf Mauritius zum Beispiel. Dann male ich mir aus, wie schön es mit meinem Mann da wäre. Und dann fällt mir ein, dass ich noch etwa 10 Jahre warten muss, bis ich mit ihm wieder alleine länger in die Ferien darf. Es gibt Tage, da bereue ich Mutter zu sein, nur weil ich nicht mehr spontan mit Freundinnen zum Apéro kann. Da trifft es sich gut, dass die meisten auch Kinder und ihre Spontanität ebenfalls zusammen mit der Plazenta abgegeben haben. Mittagessen kochen, Kleine Socken unter dem Sofa hervorholen, Nasenpopel vom Boden wegkratzen, das langgezogene Wort „Maaaamiiii?!“ gefühlte 3 Mio. mal täglich hören.... Die Liste ist lang. 

Folgenschwere Entscheidungen bereuenIch plädiere hier keineswegs für die Einstellung „Kinder sind das Beste, was mir je passiert ist.“ Wie Sie Ihre Lebensziele, Ihre Zufriedenheit definieren, geht mich nichts an. Dies ist kein Text zum Thema „Es ist schwer Mutter zu sein, aber...“ Vielmehr stört mich bei der Diskussion zum Hashtag die generelle Einstellung, die wir – ja, ich auch – heute haben: Ich treffe eine lebenslange, folgenschwere Entscheidung – nämlich, die, Kinder zu kriegen – und merke dann, dass es doch nicht so toll ist, wie ich mir das vorgestellt habe. Also bereue ich es und denke, ich hätte lieber keine Kinder haben sollen. 

So werden in besagtem Artikel in der Süddeutschen israelische Mütter zitiert (die Studie stammt von der israelischen Soziologin  Orna Donath), „ihre Mutterschaft hätte ihrem Leben nichts hinzugefügt – ausser Schwierigkeiten und ständige Sorge. (Tirtza, 57) Oder Charlotte, 44, meint gar, sie ziehe aus ihrer Mutterrolle keinerlei emotionalen Gewinn. Eine weitere beklagt sich, sich unfrei zu fühlen, das Alleinsein zu brauchen, wie die Luft zum atmen. Das sind sehr traurige Feststellungen und ich möchte nicht in der Haut dieser zutiefst unglücklichen Frauen stecken. Denn in erster Linie sind sie das: Frauen. Dass Kinder sie nicht so glücklich gemacht haben, wie sie erst dachten, ist ein Zufall. Es hätte ja auch der Partner, der Wohnort oder ihre Figur sein, die sie unglücklich macht.

Mütter auf dem MondNun. Wer mich kennt und liest, weiss, dass ich keine Supermami bin, die dem Muttersein nur Gutes abgewinnen kann. Ich habe mein Firma unter anderem gegründet, um täglich etwas Interessanteres zu tun, als mich „nur“ um die Kinder zu kümmern. Ausserdem bin ich sehr dafür, solche Tabuthemen auf den Tisch zu bringen, schliesslich schwebt uns gerade in der Schweiz immer noch dieses klebrig-süsse Image des „Mamis“ vor, das für die Kinderlein alles opfert. Dieses soll und muss über den Haufen geworfen werden. 

Aber zu behaupten, ich würde mit dem Wissen, dass ich heute habe, in einem anderen Leben keine Kinder haben wollen? Im Gegenteil! Heute weiss ich, dass vieles, was ich mir vor den Kids vorgestellt habe, einfach nicht realistisch ist. Vielleicht wäre ich in einem anderen Leben etwas cooler, gelassener und würde von Anfang an auch an mich denken. Nicht erst kurz vor dem Nervenzusammenbruch.

Ich frage mich halt, wie sich diese 23 Mütter ihre Mutterschaft denn vorgestellt haben? Wir leben ja nicht auf dem Mond, auch in Israel nicht. Es ist nicht so, dass man gar nichts hört, es gibt Bücher, Internetseiten, Blogs und ja, auch andere Mütter. Hier behauptet der Artikel zwar, die seien eben die Schlimmsten, weil sie den Mythos der rosigen Mutterschaft untermauern, indem sie nie und nimmer zugeben würden, dass Mami sein manchmal zum Kotzen ist und man die Kinder sehr oft am Liebsten an die Wand klatschen würde. Diese Erfahrung kann ich nur mässig teilen. Ich kenne fast nur Mütter, die sehr wohl zugeben, dass sie manchmal überfordert, übermüdet, angeödet und einfach nur fertig sind. Die meisten geben zu, dass ihre Kinder manchmal richtige kleine A...löcher sind. Mit den anderen verkehre ich einfach nicht.

Aber zurück zu den Erwartungen an die Mutterschaft: Kriegt man denn heute Kinder, ohne sich vorher ein wenig zu informieren? Geben ich „Kinder kriegen“ in die Suchmaschine ein, kommen lauter Texte über den richtigen Zeitpunkt, Tests „Sind Sie bereit?“ und Artikel darüber, ob man überhaupt Kinder haben soll. Ausserdem hat man im Idealfall ja einen angehenden Vater, mit dem man vielleicht diskutieren sollte, wie man sich die Elternschaft und die Erziehung denn so vorstellt. 

Und wenn die Kinder da sind? Dann sind sie da. (Ein weiteres Problem: Wieso noch ein Kind in die Welt setzen, wenn man beim ersten schon bereut, Mutter geworden zu sein?) Und sie haben sich ihre Mütter / Eltern nicht ausgesucht. Sondern umgekehrt. 

Der Artikel schliesst damit ab, den Entscheid für Kinder zu bereuen, sei halt ähnlich, wie wenn man die Heirat bereut. Aber wie Mark Twain schon sagte: „In 20 Jahren wirst du enttäuschter sein von den Dingen, die du nicht getan hast, als von jenen, die du versucht hast.“

Kommentare

Lorelai hat gesagt…
Meiner Meinung nach kann man sich noch so gut informieren, man wird nie wissen wie es sein wird bevor es soweit ist, es sei denn man ist das Älteste von vielen Geschwistern und hat das hautnah miterlebt... (was für die meisten der heutigen Frauen im gebärfähigen Alter nicht mehr zutrifft. Und wer fragt die Väter? Vielleicht bereuen die ihre Vaterschaft auch (und geben es einfach nicht zu)...
Rolf Lang hat gesagt…
In unserem Geschäft gibt es 3 in der Zwischenzeit geschiedene Väter; sprich Zahlväter welche damals den Kopf geschüttelt habe als ich von meiner Unterbinden erzählt habe.Ich lebe mit meiner Partnerin unverheiratet ,ohne Kind mit allen Freiheiten sprich Reisen,Freizeit etc zusammen.Super ,So wie es ist.
Eva Stingelin hat gesagt…
Bei unserem letzen Klassentreffen(mit 35 Jahren) hatten von 18 Frauen Zwei je 1 Kind.Der Rest ist Kinderlos.Am meisten dazu beigetragen hat wahrscheinlich unser Besuch mit der Abschlussklasse in einem Mutter/Kindheim.Ausserdem hat unser Hauptlehrer viel Wert auf die Aufklärung/Verhütung gelegt.Danke Herr Vöglin.
Silvia Merz hat gesagt…
Mein Partner hat Azoospermie also war das Thema von Anfang an erledigt.Ich will keine künstliche Befruchtung.Wir sind auch ohne Kind sehr glücklich.Ich habe ein Gottekind,welches wir unterstützen(Englische Spielgruppe,Internationale Schule ,Ausflüge etc.)Kinderlos ist keine Krankheit!Wir geniessen unsere Zweisammkeit.
Andrea Mordasini hat gesagt…
Mir tut es im Herzen weh für jedes Kind, deren Mutter es bereut, es geboren zu haben :(. Wie muss ein solches Kind bloss fühlen! Doch für mich ist "bereuen" was total anderes als genervt und am Anschlag zu sein. Nur weil ich hin und wieder meine Kinder am liebsten auf den Mond schiessen möchte, heisst das noch lange nicht, dass ich es bereue, Mutter geworden zu sein und dass ich die Kinder am liebsten weggeben würde, im Gegenteil! Wichtig ist doch einfach, dass auch die Mütter (und Väter) mal jammern dürfen über ihren nicht immer nur bereichernden und erfüllenden, sondern oftmals auch sehr anstrengenden Elternjob. Und dies ohne gleich vom Gegenüber als undankbar etc runtergeputzt zu werden, wie es mir vor ein paar Jahren leider mit einer kinderlosen Bekannten ergangen ist. Mütter (und Väter) leisten nicht weniger als 100% erwerbstätige Kinderlose, bloss einfach auf einer anderen Ebene. Wir formen und bilden in gewisser Hinsicht die nächste Generation, unsere Zukunft und dies verdient endlich mehr Respekt, Wertschätzung, Achtung und Anerkennung! Wer Mutterschaft nach wie vor gleichsetzt mit "Käfele, Plöischle, bisschen haushalten etc" hat ehrlich gesagt, nichts begriffen! Wichtig ist aber auch, dass sich die Mütter weniger “bekriegen” und verurteilen, sondern mehr zuhören, sich gegenseitig unterstützen und helfend unter die Arme greifen. Egal ob Muttermilch oder Schoppen, Kinderwagen oder Tragetuch, erwerbstätig oder nicht, geimpfte Kinder oder ungeimpfte: Wir Mütter und Väter versuchen und tun täglich nur das Beste und sitzen alle im gleichen Boot. Versuchen wir dieses gemeinsam vor dem Kentern zu bewahren und führen es auch in stürmischen Zeiten gemeinsam in den sicheren Hafen ohne Elternbashing auch nur die geringste Chance zu geben :)!

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