Ohrfeigen verbieten?



Natürlich sollten wir unsere Kinder nicht schlagen. Aber ein Gesetz wird das leider auch nicht verhindern.

Ich bin ein Kind der Siebziger. «Make love, not war». Das Motto fand sich auch in der Kindererziehung wieder, die heute so verpönte «anti-autoritäre Erziehung» (die meine Eltern im Übrigen ignorierten, damit das auch gleich gesagt ist.) Sie wiederum sind Nachkriegskinder, die sehr wohl ab und zu mit Gewalt gemassregelt wurden, im Falle meines Vaters sogar ziemlich oft. Im Hause meiner Grosseltern galt der Stock schlicht als Erziehungsmassnahme.

Wenn ich also lese, dass das der Verein «Keine Gewalt gegen Kinder» zum Internationalen Tag der Kinderrechte am 20. November eine landesweite Petition für ein gesetzliches Verbot von körperlicher Züchtigung lanciert, habe ich gemischte Gefühle. Die Gruppe fordert gemäss «Sonntagszeitung» die Verankerung im Zivilgesetzbuch «das Recht der Kinder auf eine gewaltfreie» Erziehung und «ein ausdrückliches Verbot von Körperstrafen und psychischer Gewalt an Kindern».


Gegen Gewalt an Kindern sind wir hoffentlich alle, grundsätzlich. Doch die Ohrfeige scheint einen besonderen Status in der Kindererziehung zu geniessen. Meine eigene – unrepräsentative – Umfrage und die Kommentare in den Onlinemedien lassen folgendes vermuten:
  1. Die «erzieherische» Ohrfeige (oft Klaps genannt) ist auch im 21. Jahrhundert gesellschaftlich akzeptiert und wird sogar vehement verteidigt.
  2. Es scheint nur schwarz und weiss zu geben. Entweder erziehen die Eltern gar nicht, oder sie Ohrfeigen. So die gängige Meinung
Natürlich gibt es jene, die erstaunt sind, dass ein solches Verbot nicht schon lange existiert. Tut es aber nicht, nicht in der Schweiz. Zwar wurde 1978 mit der Einführung des neuen Kindesrechts das ausdrückliche elterliche Züchtigungsrecht aufgehoben, ein Verbot per Gesetz aber gibt es - im Gegensatz zu unserem Nachbarn Deutschland und den meisten europäischen Ländern – eben nicht.

Es gab diverse Versuche, dies zu ändern, zuletzt im Nationalrat im Mai, als die SP-Nationalrätin Chantal Galladé eine heftige bürgerliche Ohrfeige für ihr Ohrfreigenverbot erhielt.
Und nun probiert es der Verein «Keine Gewalt gegen Kinder» also nochmal. Zivilrechtlich verfolgbare Ohrfeigen laufen ja darauf hinaus, dass es am Ende eine Abfindung/Schadenersatzklage/Genugtuungszahlung geben könnte (im Gegensatz zur strafrechtlichen Verfolgung, die vom Verein jedoch nicht angestrebt wird. Begründung: Missbrauch des Gesetzes von Teenagern, die ihre Eltern auf dem Kieker haben und diesen so drohen könnten.)
Damit eines klar ist: Ich bin vollkommen und ohne Wenn und Aber gegen Gewalt an Kindern. Auch wenn ich mich leider nicht damit brüsten kann, dem Reflex nie nachgegeben zu haben. _Als mein Sohn ungefähr 5 Jahre alt war, ist mir die Hand sogar zweimal ausgerutscht. Müde (die Tochter war noch klein und schlief schlecht), überfordert, teils überarbeitet, habe ich mich von einem Knirps ins Bockshorn jagen lassen und habe ihm aus lauter Verzweiflung eine gescheuert. _Ins Gesicht. In dieses süsse, pausbackige Gesicht, das kurz darauf völlig schockiert in Tränen ausbrach und sich an meinen metaphorischen Rockzipfel klammerte. Ich hatte mein Kind geschlagen! Ich, eine erwachsene Frau, die ihr Leben kurzzeitig nicht so im Griff hat, lässt es an einem kleinen Jungen aus, der wohl aus demselben Grund nervig ist. Fürchterlich nervig, zugegeben, aber eben... er war 5! Seine Reaktion war das Schlimmste: Das reinste Stockholm-Syndrom!
Das ist danach nie wieder vorgekommen und glaubt mir, auch die Tochter hat mich schon manches Mal zur Weissglut getrieben. Heute rutscht mir die Hand nicht mehr aus (na ja, warten wir ab, wie der Teenager sich entwickelt...). Meine Kinder kriegen in aussergewöhnlich nervigen Momenten einen Zusammenschiss, der sich gewaschen hat! Die Lautstärke steigt manchmal derart schnell an, dass sich meine Stimme überschlägt und ich danach fast heiser bin. Die Kleine weint, der Grosse guckt betreten, sie machen dann ein paar Tage, was ich ihnen sage und dann kann es gut vorkommen, dass dasselbe in der gleichen Woche nochmal stattfindet. Und dann frage ich mich: Ist das nicht schlimmer, als ein Klaps? Gleich schlimm? Oder eben doch besser? Welches Gesetz schützt die Kids vor der seelischen Ohrfeige?
Menschen, die ihre Kinder willentlich schlagen, werden von einem Gesetz nicht abgeschreckt, schliesslich sitzt der Staat nicht bei uns im Wohnzimmer. Kinder werden sich auch mit einem Paragraphen nicht mehr wehren als heute, siehe Stockholm-Syndrom weiter oben. Institutionen, die Kindern in solchen Situationen helfen, gibt es heute schon, auch Nachbarn können diese informieren, wenn ein Verdacht besteht.
_Die gelegentliche Ohrfeige per Gesetz zu verbieten signalisiert in meinen Augen vor allem eine grosse Hilflosigkeit, diese Eltern aufzuklären. _Die Franzosen haben das vor Jahren schon mit einer wertvollen Kampagne gemacht (leider gibt es zur Zeit noch keine Studie über den Erfolg der Kampagne). «Eine kleine Ohrfeige für Sie. Eine grosse Ohrfeige für ihn. Es gibt keine kleinen Ohrfeigen.»

Dennoch bin ich für ein Gesetz, Kinder sollten in Fällen von Gewalt sicherlich nicht schlechter gestellt sein, als Erwachsene. Aber das wird nicht reichen. Mein Vorschlag wäre deshalb eine Präventionskampagne, welche auch am Elternabend in der Schule gezeigt würde. Die Ohrfeige zum Thema machen, zeigen, welche Wirkung sie auf ein Kind haben kann und nicht mehr einfach akzeptieren, dass gewisse Eltern Ohrfeigen als Erziehungsmassnahmen sehen. Wir sind die Erwachsenen, wir müssen uns den Kindern gegenüber auch als solche verhalten. Oder würdet ihr gerne von euren Vorgesetzten geohrfeigt werden? Eben!

Dieser Text erschien gestern erstmals auf wireltern.ch.

Kommentare

Mama mal 3 hat gesagt…
Genau so! Und danke für Deine Ehrlichkeit!
Andrea_Mordasini hat gesagt…
Berichte über misshandelte und missbrauchte Kinder machen mich als zweifache Mutter sehr traurig und wütend. Seine Kinder mit Liebe und möglichst gewaltlos zu erziehen, hat nichts mit antiautoritärer Kuschelerziehung zu tun, sondern mit Respekt gegenüber den Kindern und Vernunft und Einsicht der Eltern. Wie sollen Kinder lernen, Schwächere nicht zu schlagen, wenn sie selber von ihren mehrfach stärkeren Eltern geschlagen werden? Wer will, dass die Kinder nicht schlagen, schlägt sie selber auch nicht! Wir Eltern müssen als gute Beispiele und gute Vorbilder voran und den Kindern wichtige Werte wie Liebe, Respekt, Anstand, Toleranz und Rücksicht täglich aktiv vorleben, aber sicher nicht einprügeln. Denn uns und unser Verhalten, gutes wie eben auch schlechtes, ahmen die Kinder nach. Wehr-, hilf- und schutzlosen Kindern Gewalt (körperlich, seelisch, sexuell) anzutun, ist feige, schäbig, armselig und gehört bestraft! Wir wollen, dass uns unsere Kinder – egal was sie angestellt haben und egal, was geschehen ist, stets alles anvertrauen können. Wir wollen nicht, dass sie aus Angst vor uns und möglichen Körperstrafen schweigen oder gar zu Lügnern werden. Dass Erwachsene nach wie vor gesetzlich besser geschützt sind als Kinder darf einfach nicht sein, ist falsch, verkehrt und muss endlich geändert werden! Bestraft sollten jedoch nicht nur die Schlägereltern, sondern auch jene, die trotz Kenntnisse der Übergriffe mangels Zivilcourage lieber feige tatenlos zu- bzw wegsehen statt zu helfen; und zwar wegen unterlassener Hilfeleistung! Denn es ist an uns Erwachsenen und unsere Pflicht und Aufgabe, die Jüngsten und Schwächsten dieser Gesellschaft vor Gewalt jeglicher Art zu bewahren und zu beschützen. Das sind wir ihnen schuldig!

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