Direkt zum Hauptbereich

«Berufstätige Eltern geben ihren Kindern Medis zum schlafen»



So in etwa klang es letzte Woche in den Medien. Der Aufreger der Woche!

Ja, bei mir klingeln alle Glocken. Schon wenn eine Gratiszeitung titelt «Eltern stellen Babys mit Medikamenten ruhig», erhöht sich meine Herzfrequenz. Denn wahrscheinlich kommt das vor. Der Mensch tut nichts, was es nicht gibt. Und ja, es ist schlimm. Sehr schlimm sogar. Die meisten Medikamente werden nämlich nicht für Kinder getestet oder einfach zweckentfremdet. Ich werde diese hier nicht auflisten, ich bin keine Apothekerin.

Aber genauso schlimm finde ich es, wenn man dieses gruselige Phänomen auf berufstätige Eltern schiebt. Die Frankfurter Allgemeine – welche von 20 Minuten zitiert wird – hat nämlich Therapeutinnen befragt, die den Grund für diese unsägliche Praxis bei den kurzen Babypausen und dem Wiedereinstieg der Mütter sehen.
So meint Dagmar Ambass, Psychotherapeutin bei der Stiftung Mütterhilfe, die Toleranz für schreiende Babys habe abgenommen. Heute seien oft beide Elternteile berufstätig und Mütter würden meist früh und mit hohen Stellenprozenten in den Job zurückkehren. «Wenn das Baby in der Nacht mehrheitlich schreit, sind viele Eltern nicht mehr fit für die Arbeit.»
Ja, auch das stimmt. Nichts Schlimmeres, als wenn das Baby nicht schläft und ich am nächsten Tag einen strengen Tag habe. Aber macht die Berufstätigkeit einen solch grossen Unterschied? Meine Babypause dauerte bei beiden Kindern ein Jahr. Der totale Luxus. Aber fand ich es während dieser Zeit deshalb easy, wenn die Tochter jede Nacht mehrmals bis zu einer Stunde schrie? Hätte ich mich einfach am nächsten Tag auf’s Ohr legen können, um die schlaflose Nacht nachzuholen? Nein, konnte ich nicht. Schliesslich hatte ich noch ein grosses Kind, für das ich da sein musste.

Und wenn man schon berufstätige Eltern beschuldigt, nicht 24 Stunden für das Kind, mit dem Kind und überhaupt nur rund um’s Kind da zu sein, wieso kommt keiner auf die Idee, Hilfe anzubieten? Eltern, die zu Medikamenten greifen sind verzweifelt, aber keine schlechten Menschen!
Die Kritik in den Kommentaren zeigt aber auch wieder einmal auf, wie elterliche Berufstätigkeit in der Schweiz akzeptiert wird. Nämlich gar nicht. Mami soll sich schliesslich nur um’s Kind kümmern und fertig. Dass eventuell der Mutterschaftsurlaub schlicht für viele zu kurz ist, jedoch viele frecherweise finden, Mami soll gefälligst länger zu Hause bleiben, treibt mich zur Weissglut. Ist es denn wirklich noch nicht überall angekommen, dass 80% der Eltern arbeiten MÜSSEN?
Dass Schlafmangel Folter ist, weiss jede Mutter, jeder Vater, die/der das schon erlebt hat. Wenn man nicht mehr weiter weiss, ist es aber wohl auch sehr schwer, sich an jemanden zu wenden, da man damit rechnen muss, als karrieregeile, sich selbst verwirklichende Rabenmutter angesehen zu werden.
Oder wie seht ihr das? Glaubt ihr auch, dass das vorwiegend berufstätige Eltern betrifft? Welche Erfahrungen habt ihr selber gemacht?

Erstmals auf wireltern.ch erschienen.

Kommentare

Missionmom hat gesagt…
Es ist schlimm das Mütter sich untereinander so bekämpfen.ist man nur Mutter wird gelästert. Sind wir berufstätig dann wird auch gelästert.wir sollten mehr zusammenhalten.schade gruss mussionmom
Absolut! Aber es liegt auch an uns, denn so wie es in den Wald ruft... So verändern wir die Welt! ;-)

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Allerwichtigste

    Als ich mir überlegt habe, was ich nach all den Jahren hier mit euch teile, war das erste Thema ziemlich klar: Was ist das Wichtigste für dich als Mutter? In der Schwangerschaft, bei der Geburt, als die Kinder klein waren und heute? War es immer dasselbe? Natürlich sind die Kinder das Wichtigste, die Partnerschaft, eine gewisse Sicherheit, auch finanziell. Aber das meine ich nicht.  Was hat dir das Überleben als Mutter sozusagen gesichert? Wie hast du die langen Tage geschafft, den wenigen Schlaf gemeistert, den Frust, die Sorgen, die Selbstzweifel? Na?  Ich kann ja nicht für alle reden, aber bei mir waren es - abgesehen von meinem Mann - ganz klar: die Frauen in meinem Leben. Meine Freundinnen. Ohne die ich wohl früher oder später wahlweise abgehauen, durchgedreht oder zusammengebrochen wäre. In dieser oder einer anderen Reihenfolge.  Meine Freundinnen sind mein Fels in der Brandung. Mein Punching Bag. Meine Klagemauer. Es sind Mütter von älteren, aber auc...

Die Hormonhölle

  Wer mich bzw. Rabenmutter (Blog und Buch) noch nicht kennt, braucht für diesen Text eine kurze Orientierung: Bei Sassines sind wir 2 Männer (Vater und Sohn, 21) und zwei Frauen (Tochter, bald 17, und ich). Soviel zur Demografie des Hauses. Als mein Sohn in die Pubertät kam, gab es schwierige Zeiten. Wir sind uns sehr ähnlich, will heissen, wir sagen, was ist. Sowohl im Positiven, wie aber auch im Negativen. Wenn uns also etwas nicht passt, meckern wir genauso, wie wir spontan «Ich liebe dich» sagen können. Jedoch gab es Zeiten, da war es kein meckern mehr, vielmehr gingen wir uns regelmässig an die Gurgel mit ausgewachsenen Wutanfällen, die einem Orkan ähnelten. Sowohl in der Kraft, als auch in der Lautstärke. Diese endeten jeweils mit einem Türenschletzen seiner- und einer Putzaktion meinerseits (Ich putze nicht gerne, ausser ich bin wütend. Meine Laune lässt sich also direkt an der Sauberkeit unseres Hauses messen.) Die anderen zwei Sassines, Vater und To...

Wenn nichts mehr geht - knapp am Burnout vorbei

Monatelang stand ich unter Strom. Dann kam der Stromausfall. Wie ich an einem Burnout vorbeirasselte… Das Hirn läuft auf Hochtouren.  Verträge aushandeln . Kuchen backen für diverse Schulevents. Den Grossen zur Töffliprüfung fahren. Hat mein Mann jenen Termin gesehen? Nochmal überprüfen. Die Grossmutter zum Arzt begleiten. Schon wieder ein Mail von diesem Geschäftspartner, dessen niveauloser Ton an Trump erinnert. Und noch ein Problemfall mit Kunden, den wir zwar nicht verschuldet haben, aber ausbaden müssen. So sahen meine letzten Monate aus. Eure vielleicht auch.   Weiterlesen auf Any Working Mom. ( Photo by  Dingzeyu Li  on  Unsplash )