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Das faule Geschlecht?


So lautet der Titel eines Gastkommentars von Margrit Stamm in der Aargauer Zeitung. Sie windet darin den Vätern ein Kränzchen, das sie durchaus verdient haben. Aber eben nicht alle.
Magrit Stamm, Mitforscherin an der Väterstudie «Tarzan», welche Anfang 2016 veröffentlicht werden soll, bricht eine Lanze für heutige Väter. Dauernd werde ihnen vorgeworfen, sie seien zu wenig präsent, hälfen wenig im Haushalt, von den Kindern ganz zu schweigen, so Stamm in ihrem Gastkommentar in der Aargauer Zeitung. Deshalb reite wohl auch die gesamte Medienwelt und Gesellschaft darauf herum, dass Väter gefälligst mehr Teilzeit arbeiten und entsprechend mehr zu Hause sein sollten.Sie deutet darauf hin, dass Väter nebst der Präsenzzeit doch noch ein, zwei Verantwortungsbereiche abdeckten, welche gesellschaftlich gesehen immer noch von ihnen erwartet würden: «Ob wir dies gerne hören oder nicht: Auch Erwerbsarbeit ist eine männliche Form der Fürsorge.» Denn es geht gerne vergessen, dass drei Viertel der Väter alleine für das Einkommen der Familie zuständig sind. Immer noch.Hier gebe ich Frau Stamm durchaus recht, auch die sogenannten «Mompreneurs» verdienen selten so gut, dass sie ihre Familie alleine ernähren könnten. Oder anders gesagt: Ohne den Grossverdiener keine Mompreneurs-Business. Ein Luxus also.
Wo ich jedoch überhaupt nicht mit ihr einverstanden bin, ist ihr nächster Absatz: «Dazu gehören Kontroll- und Unterstützungsleistungen (z. B. Hausaufgabenunterstützung, Überwachung des Medienkonsums); die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen zur materiellen Versorgung der Familie etwa in Form von Überstunden oder um eine Ausstattung oder eine Fördermassnahme des Kindes finanzieren zu können; die Unterstützung der sozialen Kontakte der Kinder, beispielsweise, wenn es um Freundschaften geht; das väterliche Engagement in der Schule oder in anderen Institutionen zugunsten der Kinder; der Besuch beim Kinderarzt oder auch der Einkauf neuer Kleider mit dem Nachwuchs.»
Mal ehrlich: Hausaufgabenunterstützung? Soziale Kontakte? Engagement in der Schule? Kinderarztbesuch? Einkauf der Kinderkleider? Wann war der Vater eurer Kinder zum letzten Mal im Schuhgeschäft, beim Impfen, am Räbeliechtli schnitzen? Ich lebe ja auf dem Land, vielleicht läuft es in der Stadt etwas anders, aber es gibt Väter hier im Dorf, die ich noch gar nie gesehen habe! Die Events, die hier für unsere Kinder stattfinden, werden meist nur von Müttern organisiert UND besucht. Mein Mann ist sehr oft der einzige Papa, was beispielsweise beim Abholen aus der Turnstunde ein Problem darstellt, weil er dann eben nicht in die Mädchengarderobe darf …
Natürlich liegt es daran, dass die Väter wie erwähnt die alleinigen Geldverdiener sind – und entsprechend wenig Zeit haben – , viele Mütter auf dem Land sind nicht berufstätig. Was mich an Stamms Text stört, ist, dass sie sagt, die quantitative Präsenzzeit von Vätern sei nicht so wichtig, ihr Engagement aber schon. Meine Erfahrung zeigt aber, dass viele Väter weder noch zeigen: Weder Präsenz noch Engagement, zumindest kein Sichtbares.
Wieso das so ist, kann ich natürlich nicht beurteilen. Es kann durchaus sein, dass Papa Überstunden schiebt oder auf Geschäftsreise ist. Es kann aber auch sein, dass Mama das Zepter nicht aus der Hand geben will, schliesslich sind Kind und Haus ihr Job. Solange es für alle in der Familie stimmt, habe ich kein Problem damit. Aber da mir viel zu oft Sätze wie «Mein Mann mag halt nicht Babysitten» zu Ohren kommen, frage ich mich schon, ob Frau Stamm recht damit hat, wenn sie schreibt, es gäbe «deutliche Mängel in der Wertschätzung von Vätern.» Vielleicht liegt das Problem viel mehr darin, dass elterliches Engagement – egal ob Vater oder Mutter – einfach zu wenig wertgeschätzt wird. Mit faul hat das nichts zu tun. Aber haben wir uns das selber ausgesucht oder nicht? Was meint ihr? 

Dieser Text erschien erstmals am 11. November 2015 auf wireltern.ch

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