Von persönlichen Freiheiten und staatlichem Hütedienst





Alleinerziehend wird immer «normaler». Das sei zwar traurig, aber kein Grund für eine Erweiterung der Tagesstrukturen an Schulen. So zumindest sieht es eine SVP-Kantonsrätin.


«Ich finde es traurig, dass es fast schon normal ist, alleinerziehend zu sein.»

Mit diesem Satz lehnte die Geschäftsfrau und SVP-Kantonsrätin Theresia Weber-Gachnang diese Woche im Tages Anzeiger das im Dezember angedachte FDP-Projekt für mehr Tagesschulen in Zürich und Winterthur ab. Oder besser gesagt, die staatlich Übernahme des «Hütedienstes» von Schweizer Kindern, wenn Eltern «die Arbeit als persönliche Freiheit ausleben wollen». Und wenn die Arbeit mit Freiheit gar nichts zu tun hat? Was fängt eine alleinerziehende Mutter mit dieser Aussage an?

Die Geschäftsfrau, die übrigens selber drei Kinder hat und deren Geschäft das Sekretariat ihres Bauernbetriebs darstellt, behauptet auf Ihrer Homepage, dass für sie die «traditionelle Familie in der Eigenverantwortung, Gleichberechtigung, Mitbestimmung und Förderung aller Fähigkeiten nicht nur leere Worthülsen sind» einsteht.
Was bedeuten diese Worte, die keine Hülsen sein wollen, nun wirklich? Ein Erklärungsversuch:

Eigenverantwortung: Eltern sollen ihre Kinder gefälligst selber «hüten»?

Gleichberechtigung: Zwischen wem und wem? Mann und Frau? Arm und reich? Verheiratet und alleinerziehend (wohl eher nicht)?

Mitbestimmung: Aber nur, wenn es mit dem Parteiprogramm übereinstimmt?

Förderung aller Fähigkeiten: Was, wenn die grösste Fähigkeit einer Mutter die Ernährung der Familie ist?

Die 53-jährige erklärt weiter, bei ihr wären für die Betreuung der Kinder Familie, Nachbarn und Freunde eingesprungen. Nun stellt sich doch die Frage: Wieso soll es nun eher Aufgabe der Familie, Nachbarn und Freunde sein, ihre Kinder zu «hüten», als die des Staates, für den sie später einmal Steuern zahlen werden (um in der gewohnten Wortwahl der SVP zu bleiben)?

Im erwähnten Artikel des Tages Anzeigers gesteht Theresia Weber-Gachnang dennoch grosszügig die Zwickmühle ein, in der sozial schwächere Familien stehen. Tagesschulen nennt sie in diesen Fällen einen «Lösungsansatz». Eine Lösung bringt sie indes selber nicht. Auch für Alleinerziehende nicht.

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