Die Arroganz der Mütter

Bettina Weber regt sich heute im Tages Anzeiger über die Arroganz von Müttern gegenüber kinderlosen Frauen auf. Was haltet Ihr von diesem Pauschalurteil?

Von Bettina Weber


Manchmal haben kleine Wörter eine ungeheure Wirkung. Zum Beispiel das Wörtchen «dann». Wenn eine frischgebackene Mutter ihrer kinderlosen Freundin sagt: «Wenn du dann mal selbst ein Kind hast . . .» Ganz so, wie man zu einem Knirps sagt: «Wenn du dann mal gross bist . . .», weil davon auszugehen ist, dass er das eines Tages werden wird. Da gerät die Freundin ins Sinnieren. Denn das Wörtchen «dann» suggeriert: Irgendwann hat eine Frau einfach Kinder zu bekommen.

Es ist ein kleines Wort, aber es ist ein sehr vielsagendes Wort. Es sagt etwas aus über das Denken von Müttern. Es zeigt ihre Arroganz auf, vor allem kinderlosen Frauen Mitte 30 gegenüber. Mütter werten nämlich. Sie gehen nicht nur davon aus, dass sie der Normalfall sind, der Standard. Sie gehen, und das ist die Arroganz darin, davon aus, dass sie es besser machen, dass sie das richtigere Leben führen. Dass das Leben vor dem Nachwuchs nur die Übungsanlage ist und Frauen ohne Kinder in einer Art Provisorium leben, unfertig sind.

Die heikle Frage nach Kindern
Das erklärt auch, weshalb Mütter kinderlose Frauen ungeniert und bisweilen am ersten Arbeitstag in der Kaffeepause fragen, weshalb sie keine Kinder hätten. Sie denken in ihrer Arroganz nicht daran, dass diese Frage verdammt heikel ist. Zum einen weil sie äusserst persönlich ist und es die Höflichkeit verbietet, derart intime Fragen zu stellen. Und zum anderen weil die Gründe zahlreich sein können. Vielleicht hätte die Frau gerne Kinder, aber sie kann keine bekommen. Vielleicht hat sie gerade eines verloren. Vielleicht hat sie eine Trennung hinter sich, und die Kinderfrage hat sich für den Moment erledigt. Vielleicht hört sie sehr laut ihre biologische Uhr ticken, aber es ist kein tauglicher Vaterkandidat in Sicht. Vielleicht hat sie sich noch nicht entschieden. Und vielleicht möchte sie gar keine haben, weil sie sich durchaus ein erfülltes Leben ohne Kinder vorstellen kann. Auf jeden Fall möchte sie darüber keine Auskunft geben. Aber Mütter sehen die Dinge anders, sie sehen die Welt nur noch aus einem Blickwinkel: dem der Mutter.

So ab 30 fängt er sich langsam an zu bilden, der Graben zwischen den Frauen, und es ist ein Graben zwischen Kinderlosen und Müttern. Wobei die Kinderlosen einfach ihr Leben weiterleben. Die Mütter aber, die beginnen zu werten. Stellen kinderlose Frauen wahlweise als egoistisch oder verantwortungslos oder unreif hin. Das äussert sich in spitzen Bemerkungen wie: «Du gehst immer noch aus? Ach, das habe ich halt hinter mir.» Oder: «Ich kann es mir nicht mehr leisten, einfach so in den Tag hineinzuleben.» Oder: «Ich dachte auch mal, der Beruf alleine würde mich erfüllen.» Die Herabsetzung der Kinderlosen
Da ist, neben der beiläufigen und mitunter gezielten Herabsetzung der Kinderlosen, wohl auch Neid herauszuhören auf deren Freiheit und Unabhängigkeit. Kinderlose Frauen aber werten Mütter nicht. Sie haben Respekt vor deren durchorganisiertem Alltag, wenn sie von der Sitzung in die Krippe und dann zum Einkaufen und zum Elternabend rennen, und hören sich geduldig die Geschichten über das Wickeln und Stillen und Rückbildungsturnen an und lächeln und nicken und langweilen sich dabei, ganz so, wie sich früher die Mütter, als sie noch kinderlos waren, ebenfalls gelangweilt haben bei solchen Geschichten.

Mütter werten auch insofern, als sie kinderlose Frauen suspekt finden. Mütter sind überzeugt, dass jede Frau Kinder möchte. Und dass die, die keine haben, entweder todunglücklich, weil nicht vollkommen, oder aber, wenn selbst gewählt, letzten Endes eben doch frustriert sind. Kein Mann würde es wagen, eine solche Aussage zu machen; Mütter stellen sie ungerührt in den Raum, und das ist doppelt irritierend, weil doch die Emanzipation einst mit dem Ziel angetreten war, dass Frauen die Wahl haben sollten, und eben niemand mehr über diese zu urteilen habe.

Das kleinherzige Mutterkreuz-Gehabe
Aber Mütter fühlen sich moralisch überlegen, im Recht, und sie erwarten permanentes Verständnis für das Leben, das sie gewählt haben, weil es ja eben das richtigere ist. Zum Beispiel, dass sie Vorrang haben, wenn es im Büro um die Ferienplanung geht. Sie können schliesslich nur während der Schulferien, die Kinderlosen sollen sich da anpassen, denn die sind ja flexibel. Oder wenn sie mitsamt Kinderwagen am Samstagnachmittag im ohnehin engen und überfüllten H & M einkaufen gehen. Oder mit den sperrigen Wagen Bars und Cafés annektieren, wo Kinder eigentlich nichts zu suchen haben, und mit bösem Blick den Zigarettenrauch wegwedeln. Und wer sich dann anmasst, sich über herumrennende, brüllende, ja einfach nervende und schlecht erzogene Racker zu ärgern, der bekommt zu hören: Du hast wohl keine Kinder?

Dieses Mutterkreuz-Gehabe ist das Gegenteil dessen, was Mütter so gerne für sich in Anspruch nehmen: Es ist kleinherzig. Man wünschte sich hierzulande etwas entspanntere Mütter. Man wünschte sich Mütter, die französisch denken. In Frankreich nämlich, so erklärte unlängst die Feministin und Philosophin Élisabeth Badinter, dem Land also, das europaweit den höchsten Anteil Kind-pro-Frau sowie den höchsten Anteil an berufstätigen Müttern hat, bleibt auch eine mehrfache Mutter immer und in erster Linie: Frau.

Bettina Weber ist Gesellschaftsredaktorin des Tages-Anzeigers. Sie ist kinderlos und lebt in Zürich.

Ist es so schlimm, wie Frau Weber das hier beschreibt? Und sind kinderlose Frauen so tolerant? Oder geht es einfach um Konkurrenz zwischen Frauen?

Kommentare

elamatrix hat gesagt…
Also als ich das so las hatte ich gerade das Bild meiner kinderlosen Freundinnen vor Augen - denen ich fast nichts über meine Tochter erzähle, da ich weiß, dass sie sich nicht dafür interessieren.

Die mir dafür im Gegenzug erzählen ich müsse mich doch mal wieder mit normalen (gemeint: kinderlosen) Menschen treffen, damit ich nicht so viele Kindergeschichten erzählen muss.

Und die mir dafür dann auch seit der Schwangerschaft erzählen, dass ich ja bestimmt nicht arbeiten gehen werde nach meiner Elternzeit weil das ja alle nicht machen - und es dafür aber nicht kommentieren, dass ich sowohl Krippenplatz als auch nen ordentlichen Job habe.

Aber, die dann meinen, ich solle mich bloß nicht mit anderen Müttern zum spazieren der auf den Spielplatz gehen verabreden und lieber einen MP3-Player gegen die Langeweile mitnehmen, weil sie das schon vor Augen sehen, wie ich gemeinsam mit anderen hirnamputierten Müttern langsam vor mich hinverdumme.

Sorry, die genannten Sachen sind erst kürzlich aufgetreten. Wenn ich jetzt aber lese, dass Mütter arrogant sind... ja da erahne ich vielleicht einen Grund.
gingergirl hat gesagt…
Liebe elamatrix

Ich würde dir empfehlen, deine Freundinnen zu wechseln. Nicht unbedingt für solche mit Kindern, sondern einfach für tolerante Frauen, die dich dein Leben so leben lassen, wie du sie ihres.

Allgemein zu dem Artikel: Einige Mütter sind mit Bestimmtheit arrogant und unüberlegt, das gilt aber natürlich ebenfalls für kinderlose Frauen und jede andere Gattung Mensch. Will sagen: Idioten gibt es überall!
Andrea Mordasini, Bern hat gesagt…
Die Bemerkung, dass Bettina Weber, die Autorin von „Die Arroganz der Mütter, kinderlos ist, wäre nicht nötig gewesen. Man merkt es auch so… Sie scheint (momentan) ziemlich frustiert zu sein. Ob neben Frust wohl auch ein wenig Neid dahinter steckt?
Ich verstehe dieses Diskussion „Mütter gegen Kinderlose“ überhaupt nicht! Es soll doch jede/jeder das Leben leben dürfen, was ihm/ihr am besten behagt – und fertig. Wo liegt das Problem? Ich habe einfach grosse Mühe, wenn pauschalisiert und alle und jeder in ein und denselben Topf geworfen werden. So wie es bei den Müttern arrogante Menschen gibt so gibt es sie bei den Kinderlosen.

Ja, ich bin Mami zweier Kleinkinder im Alter von 3 und 1,5 Jahren und stolz, glücklich und dankbar darüber. Ja, ich stehe zu diesen Gefühlen, zeige sie und rede auch gerne darüber. Mich und andere Mütter deswegen als arrogant zu bezeichnen ist eine Frechheit – und arrogant! Die Kinder gehören nun mal zu meinem Alltag, zu meinem Leben – ja sie bestimmen es und bilden eigentlich den Mittelpunkt! Das ist nun einmal so und wird noch lange so bleiben. Was bitte soll daran nun so schlecht sein?! Die Kinder lassen sich nun mal nicht einfach so wegzappen, nur weil sie jemandem nicht in den Kram passen.

Zum Glück ist mein Umfeld, bestehend aus Kinderlosen und Eltern, sehr kinderfreundlich. Zusammen mit den Kindern bin ich gerne gesehen. Meine Freunde, Bekannten und Kollegen interessieren und fragen gerne nach dem Nachwuchs.
Dementsprechend darf ich ohne Hemmungen über die Kleinen und die damit verbundenen Freuden und Sorgen sprechen. Und so wie mir zugehört wird, so interessiere ich mich andererseits für die Belange und die Nöten der Kinderlosen, wenn sie mir ihre Probleme mit dem Job, Stress mit dem Chef etc erzählen. Es ist mir wichtig, auch die Kontakte zu Kinderlosen aufrecht zu erhalten. Schliesslich waren ihre Sorgen einst auch meine. Es ist zwar nicht mehr möglich sich so spontan und regelmässig zu treffen. Hauptsache ist doch, dass man dafür Verständnis hat, sich noch sieht und die Kontakte nicht abbrechen lässt! Man muss halt ein wenig flexibel sein ;-)
Andrea Mordasini, Bern hat gesagt…
Natürlich diskutiere ich mit Kinderlosen nicht zwingend dieselben Probleme wie mit Gleichgesinnten und Betroffenen. Ob mein Ältester nun zweimal am Tag aufs Töpfchen geht interessiert so wenig wie ob die Jüngste durchgeschlafen hat oder nicht ;-).

Zudem bombardiere ich meine Gegenüber nicht bei der erstbesten Gelegenheit ungefragt mit den neusten Schnappschüssen der Jungmannschaft und halte meinen Freunden das Fotoalbum unter die Nase ;-).

Obwohl die Kids mein Leben bestimmen, sind sie nicht das einzige. Auch ich geniesse mal einen Abend ohne Kids, freue mich jede Woche auf den einen Arbeitstag. Auch mir tuts gut, ab und zu über anderes zu sprechen als Windel, Schoppen, Kinderkrankheiten etc. Als vielseitig Interessierte kommen bei mir auch Themen zu Politik, Sport etc nicht zu kurz.

In einem Punkt pflichte ich der Autorin bei. Nichts ist, vor allem für Kinderlose mit unerfülltem Kinderwunsch, schmerzlicher als die nervige Fragerei nach dem „wann und obs denn jetzt endlich soweit sei“. Mir käme es jedenfalls nicht in den Sinn, auch gute Freundinnen, mit diesen Fragen zu belästigen. Schliesslich weiss man ja selten wieso es nicht klappt mit dem Nachwuchs. Ich spreche da auch aus eigener Erfahrung, gehöre ich doch mit knapp 35 beim ersten und gut 36 beim zweiten Kind eher zu den Spätgebärenden. Auch mir gingen diese Fragen mit der Zeit auf den „Wecker“. Es gelang mir jedoch, darüber zu stehen und mir ein dickes Fell zuzulegen. So gab ich meistens nur trocken zur Antwort: „Ihr erfahrt es schon noch, wenn so weit sein sollte“. Mit dieser Taktik hatte ich mehr oder weniger Erfolg.

So ist mein Motto dann auch: Leben und leben lassen – mehr Mit- und Füreinander statt Gegeneinander! Mit ein wenig mehr Toleranz, ein bisschen mehr Rücksicht, etwas mehr Respekt, einer Handvoll mehr gesundem Menschenverstand, einer Prise mehr Gelassenheit und einer Portion mehr Lockerheit auf Seiten der Eltern UND der Kinderlosen – und das Leben mit und ohne Kinder kann friedlich, spannend und erfüllend sein :-)!
Anonym hat gesagt…
Das dieser Artikel im Tagesanzeiger überhaupt gedruckt wurde, wundert mich sehr. Diese frustrierte Einstellung einer einzelnen Person, die Ihr Erlebtes gleich auf eine gesamte "Menschengruppe" überwälzt ist haarsträubend. Ich könnte von beiden "Frauen-Typen" solche Geschichten erzählen. Einfach kleinlich und peinlich.
Anonym hat gesagt…
und andrea und anonym bestätigen den artikel auf das wunderbarste! q.e.d. danke.
Anonym hat gesagt…
Super Artikel,
ich habe bei jedem Satz zustimmend genickt!
Wickie hat gesagt…
Ich kam vor ein paar Stunden vom Frauentagsfrühstück. Ich habe da geheult und bin dann zu Hause heulend im Bett verschwunden und sitze jetzt heulend vorm PC.
Ich wünsche mir Kinder, seit 8 Jahren und es klappt nicht. Heut wurd ich in einer Stunde 2x gefragt, ob ich Kinder hab. - normal wenn man 40 ist. Aber dann wurde ich gefragt warum denn nicht? Und dann, dass man da doch was machen kann... und dann ob ich schon über Adoption nachgedacht hätte... und dann, dass man ja jemanden kennt der 4 Kinder adoptiert hat und dann noch schwanger geworden ist, Wunder geschehen ja immmer wieder...
Ich habe dann geantwortet, ob wir bitte das Thema wechseln können und dass ich darüber nicht reden möchte.
Und... ich habe mich dabei schlecht gefühlt, weil ich in meiner Unvollkommenheit oder Versehrtheit auch noch diesem wohlwollenden Frauen über den Mund gefahren bin.
Bitte, bitte, bitte - fragt keine Fremden Frauen mehr, ob sie Kinder haben. Jede Frau fängt doch selbst an von ihren Kindern zu reden. Ich würde es jedenfalls tun.
Anonym hat gesagt…
Es geht um Toleranz unter Menschen. Ich (42) habe keine Kinder, meine beste Freundin (45) hat 4 Kinder. Das geht ohne Probleme, weil wir uns als Menschen mögen und weil niemand sich wichtiger machen möchte, als er ist. Wir reden über alles, über Kinder genauso wie meine Themen. Wir bewegen uns auf Augenhöhe.
Es gibt Mütter, die tun so als wären sie was besseres und lassen das Thema Mutterschaft bei jeder Gelegenheit (insbesondere gegenüber Kinderlosen) heraushängen. Aber das sind die gleichen Menschen, die eine Beförderung, ein großes Auto oder egal was dazu benutzen würden ihr instabiles Ich auszugleichen.
Menschen sind alle gleich, Männer, Frauen, Alte, Junge, Eltern, Kinderlose, alle haben wir Sorgen, Ängste, Nöte und wollen anerkannt werden.
In dieser Diskussion würde ich untersrcheiden in Menschen, die ehrlich zu sich selbst sind und Ihre Menschlichkeit anerkennen und welche, die sich (vor sich selbst) verstecken und manchmal andere gerne benutzen um sich selbst aufzuwerten.

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