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Auf dem Lande

Wie sich eine urbane Mutter (doch, der Kreis 11 liegt auch in der Stadt Zürich!) mit der Tatsache beschäftigt, die Stadt bald weit, weit hinter sich zu lassen.

Wir ziehen auf’s Land. Nicht, dass wir jetzt Downtown Zürich leben würden, wir sind ungefähr das letzte Haus der Stadt, danach kommen nur noch Wiesen und Felder. Doch meine Postleitzahl und Telefonnummer suggerieren, dass ich eine urbane Mutter bin. Und das gefällt mir.

So, wie es aussieht, ziehen wir jedoch nächsten Frühling weg. Weit weg. Zumindest psychologisch. War ja klar, wir suchten ein grosses, schönes Haus mit Garten und Aussicht. Aber es sollte natürlich nichts kosten. Wir fanden also unser neues Heim am Sonnenhang in den Weinbergen. Für die Kinder wird’s toll!

Sie werden unbesorgt draussen spielen können, alleine zur Schule gehen und sie werden mit Sicherheit wissen, woher die Milch kommt, die sie aus der Tetrapackung schlürfen. Und vor allem werden sie bessere Menschen, weil sie nicht im Grossstadtdschungel aufwachsen mussten. Ich freue mich, mit ihnen die Natur zu erkunden, ohne dass wir dafür erst ins Auto steigen müssen.

So weit so gut. Das Problem ist nur, dass Natur eigentlich nicht so mein „Element“ ist. Ich gehe gerne spazieren, brauche hierfür aber ein Ziel. Am besten ein Shopping-Center. Oder den Coiffeur. Das Käffchen, in das wir ziehen hat natürlich weder das eine noch das andere. Und sooo gerne spaziere ich ja nun auch wieder nicht, als dass ich eine Stunde Weg in Kauf nehmen würde. Wie werde ich mit der Tatsache klarkommen, dass die einzige Shopping-Möglichkeit der Bauernhof-Laden im Dorf ist? Werde ich unter den Weinbauern so etwas wie Freunde finden? Wird man uns mögen, uns, die Stadtzürcher? Und das Wichtigste? Werden unsere Freunde uns besuchen kommen, wenn sie Gefahr laufen, den Heimweg im Dunkeln nicht mehr zu finden?

Der erste Eindruck ist bekanntlich der Wichtigste. Und den hinterliess mein Sohn gestern nachmittag, als wir seiner Grossmutter das Haus und das Dorf zeigten. Als wir an einem der zahlreichen Bauernhäuser vorbeigingen und neugierig reinschauten, hupte mein begeisterungsfähiges, urbanes Kind: „Lueg Mami, es Buurehofchind!“ Bin nicht überzeugt, dass unser Beliebtheitsgrad dadurch im Dorf gestiegen ist.

Kommentare

Anonym hat gesagt…
Tut mir leid, das ist mir aber einfach zu elitär, dieses urbane Geschwafel. Auf dem Land leben doch nicht nur Bauern und Hinterdörfler! Und was bitte soll in der Stadt so viel besser sein?
Brigitte hat gesagt…
Ich finde nicht, dass das Geschwafel ist. Ich kann mich noch gut erinnern, als wir vor ein paar Jahren auf's Land zogen (ich wohnte vorher in der Basler Altstadt). Die Vorstellung, dass es weit und breit kein Kino oder dergleichen geben würde, machte mir Angst. Es war dann tatsächlich nicht so einfach, sich im Dorf zurechtzufinden, wir waren lange die Städter, die etwas schief beäugt wurden. Heute gehören wir aber dazu und gehen auch an jedes Fest. Und unsere Kinder wähnen sich im Paradies....
der Oe hat gesagt…
Hmmm.... Ganz ehrlich?

Beängstigend finde ich ja nicht, dass Du Dir Gedanken machst. Das kann ich ja - zumindest bis zu einem gewissen Grad - noch nachvollziehen.

Aber dass Euer Kleine schon auf dieser Land(Bauer)-Stadt Schiene fährt finde ich dann doch bizzeli erschreckend. Weil: Irgendwoher hat der Kerl diese (seine wir ehrlich: doch eher extrem unwichtige) Kategorisierung ja her... Wännweischwasimein.... ;o)
Lieber Oe

Mir ist es ehrlich gesagt schleierhaft, wieso mein Sohn so reagiert hat. Wir wohnen jetzt schon direkt neben einem Bauernhof und er sieht die dortigen Kids täglich (sie sind zwar grösser, er kennt sie nicht wirklich). Und als eine Minderheit in diesem Land (wir sind nämlich cheibe Usländer) liegt es uns mehr als nur fern, irgendwelche elitären Statements bezüglich Menschen anzubringen, die "anders" leben als wir. Ich weise den Vorwurf also zurück, dass mein Kind das von mir hat. Aber erklären kann ich es mir trotzdem nicht.

Vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass er EXTREM mitteilungsbedürftig ist...

Liebe Grüsse
Anonym hat gesagt…
Ist es schon zu spät, um auf das Landleben zu verzichten? Wir sind vor vier Jahren von Zürich auf's Land gezogen und ehrlich gesagt hasse ich es. Jeder kennt jeden, alle wollen teilhaben und wenn du nicht im Turnverein oder Kirchenchor bist, giltest du als arrogant. Für die Kinder ist es toll aber für uns Erwachsene doch sehr öd. Sorry, aber vielleicht solltest du es dir nochmals überlegen.
Anonym hat gesagt…
Wir haben es, wie so viele, mit Winterthur versucht. Ist prima! Da hats alles. Und die City bleibt sogar mit Kinderwagen erreichbar.

Trotzdem ein Trost an Nath: Ich hätte selbst niemals gedacht, wie viel entspannter das naturnahe Leben mit den Kindern ist! Die gehen wirklich darin auf, man kann mit ihnen im Garten buddeln, Zwiebeln pflanzen, Beeren ernten, sie auf Bäume klettern lassen, ich bin sehr begeistert und finde es toll, wenn sie abends so richtig müde sind vom draussen sein! Die Ausflüge ins Café sind mit den Kindern sowieso eine eher getrübte Freude, also planen wir uns einfach unsere Grossstadt-Ausflüge.
Minerva5 hat gesagt…
Ich kann mich dem oder der einen Anonymus anschliessen. Für die Kinder ist es das Paradies. Ich bin selber auch so aufgewachsen. Ich hatte aber bald das Bedürfnis nach mehr Menschen, Museen, Kinos, Läden etc. Ich langweile mich oft und habe Mühe, wie konservativ und unkultiviert sich viele alteingesessene Dorfbewohner geben und wie alle ihre perfekten Fassaden (sprich Garten) pflegen. In jeder freien Minute pilgere ich in die Stadt.

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