«Würdest du das wirklich wollen?»



Die Rede ist vom Rollentausch. Wäre die Schweiz bereit dazu? Ich habe da so meine Zweifel.

Während wir in der Schweiz noch diskutieren, ob eine gute Mutter bei den Kindern bleibt oder erwerbstätig sein soll (die Diskussion findet natürlich nur bei denen statt, die die Wahl haben. Aber die anderen haben auch kaum Zeit, einen Blog zu lesen...), hat Amerika gerade eine neue Statistik publiziert: In den USA sind Mütter in 40 Prozent aller Haushalte mit Kindern die Hauptverdiener!
 
Als Vergleich: In der Schweiz trifft das auf 8 Prozent der Familien zu. Weshalb es nicht erstaunen dürfte, wenn ich allen Ernstes gefragt werde: «Würdest du das wirklich wollen?», sobald ich in einer Runde das Thema anspreche. Unsere Familie entspricht der Schweizer Norm: Papi arbeitet voll, verdient den Löwenanteil des Geldes. Mami arbeitet in Teilzeit und steuert auch etwas bei. Vorwiegend für Ferien und Luxus. 

Doch kaum diskutiert man mit anderen Müttern und Vätern den umgekehrten Fall, macht sich Unbehagen breit. «Würdest du das wirklich wollen?» Was? Mehr verdienen? Ja, klar! Mehr arbeiten? Ja, gerne! Doch die Frage, ob es auch o.k. ist, wenn ich mehr Geld nach Hause bringe als mein Mann, die geht offenbar zu weit. Rollentausch scheint in der Schweiz Zukunftsmusik. Aber die Art Musik, deren Harmonien in den Ohren schmerzen. 

«Und wer kümmert sich um die Kinder?» Na wer wohl? Schliesslich sprechen wir von Rollentausch. Der Vater natürlich! Er übernimmt meine, ich seine Rolle. Die skeptischen Blicke sind mir sicher. Denn immer noch – und das nicht nur bei der Nonna – herrscht die allgemeine Annahme, ein Vater könne sich eben doch nicht ganz so gut um den Nachwuchs kümmern wie eine Mutter. (In unserem Fall trifft das Gegenteil zu.) 

Amerikanische Frauen verdienen die Brötchen, weil sie müssen. Weil die Krise die USA und die meisten Länder viel härter getroffen hat als unsere kleine Finanz-Insel. In der Schweiz haben wir die Wahl. War das nicht das Ziel? Die Wahl zu haben, ob man zu Hause bleiben, Teilzeit oder voll arbeiten will? Wieso also die Skepsis? 

Wie ist das bei euch? Würden Sie einem Rollentausch zustimmen? Temporär? Oder glaubt ihr auch, dass die Kinder bei der Mutter am Ende eben doch besser aufgehoben sind?

Kommentare

Lorelai hat gesagt…
Ich kenne Frauen, die die Rollen, zumindest partiell, getauscht haben oder es noch wollen. Eine ehemalige Arbeitskollegin ist stv. Chefredakteurin und will diesen Posten auch behalten. Ihr Mann reduziert auf 60%, sie wird 80% arbeiten, den Rest deckt die Oma ab. Sie gönnte sich aber das Maximum an Mamazeit - 20 Wochen Karenz + 3 Monate unbezahlten Elternurlaub. Finde ich schön. Sie stillt ihr Kind, praktiziert windelfrei. Ich bin gespannt wie es bei ihr funktioniert wenn sie wieder in den Job einsteigt. Eine Nachbarin von mir arbeitet 100%, der Mann bezieht IV ist aber nicht für das Kind da weil er die Energie nicht hat und zum Teil auch Aufträge bearbeitet ausser Haus. Das Kind wird von einer älteren Nachbarin betreut und besucht 2x wöchentlich einen Hort. Die Mutter ist sehr unglücklich darüber, so wenig Zeit mit dem Kind zu verbringen aber sie hat keine Wahl. Für mich käme Rollentausch nicht in Frage. Ich würde meine Kinder auch zu sehr vermissen, will das aber nicht zu laut sagen, denn sonst klingt das ja als würde ich meinem Mann unterstellen, die Kinder weniger zu lieben. Es ist sicher nicht so aber jahrzehntelang sind die Männer arbeiten gegangen also stört es die wenigsten. Ich verdiene aber auch deutlich weniger also würde ein Rollentausch keinen Sinn machen. Bei meinen Eltern hätte es Sinn gemacht, meine Mutter hätte bei Weitem mehr verdient aber damals war die Zeit wohl noch nicht reif...
Rosalie hat gesagt…
Ich war in 2 Jahren Familie ein ganzes Jahr Alleinverdiener. Im Moment ist es mein Mann, weil ich Vollzeit 'ehrenamtlich' arbeite. Hat alles super geklappt, und wenn sich einer beruflich verändern will, kann der andere die Übergangszeit gut ausgleichen. Finanziell finde ich es blöd, wenn die Familie nur von einem Gehalt abhängig ist, denn unverhofft kommt oft. Die Finanzkrise hat ja eben dies bewiesen. Es ist auch deutlich angenehmer, wenn die Belastungen auf mehrere Personen verteilt werden.
Grundsätzlich würde ich nie weniger arbeiten (in %) als mein Mann. Zum Glück haben wir eben beide den gleichen Beruf auf der gleichen Gehaltsstufe aber beide mit dem unangenehmen Nebeneffekt, dass man auch mal schnell ein halbes Jahr ohne Bezahlung 'arbeiten darf'.
Aber insgesamt kommt bei uns somit selten die Frage auf, wer wieviel wovon übernimmt.
Stef hat gesagt…
Also ich spreche ja aus Männersicht: Ich hätte kein Problem damit, würden die Rollen getauscht werden. So zumindest in meiner Vorstellungskraft, ich kann mir vorstellen, dass die Praxis dann eher so aussieht, dass ich mir meinen Job zurückwünsche. Aber wenn ich das so richtig lese, geht euch Frauen das ähnlich. Ich würde nicht drauf pochen, als Hausmann zuhause zu bleiben, aber in meinem Freundeskreis ist mir tatsächlich ein solch rollengetauschtes Pärchen bekannt. Anfangs hatte er Probleme damit, dass sie die Kohle mit heimbringt, aber sie war froh, dass sie arbeiten konnte. Und er geht in seiner Hausmann-Rolle mittlerweile auch gut auf, sie haben viel drüber geredet und raus kam, dass letztlich keiner mehr ein Problem damit hat, dass sie Hauptverdiener ist und er den Hausmann spielt. Ich find's gut.

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