Helden am Herd

Männer der Generation X kochen gern und vor allem anders. Mit Genuss und viel Lob wandeln sie sich vom Brötchenverdiener zum Brötchen-Backer. 

Die Grillsaison wurde am Pfingstwochenende definitiv eröffnet und damit die Hochsaison für «kochende Männer». Immer vorausgesetzt, dass die Tätigkeit des «Fleisch auf den Grill werfen, einmal drehen und servieren» überhaupt als kochen akzeptiert wird. Da sind sich Männer und Frauen nicht immer einig, zumal die Erfahrung zeigt, dass die Beilagen beim Grillen meist Frauensache bleiben.  


Allerdings ist es unfair, wenn man ihre Kochkünste auf die Verwertung von rohem Fleisch reduziert. Denn nicht nur der Grill hat bei den Männern Hochkonjunktur. Den Platz am Herd haben sie erobert und das nicht nur in Drei-Sterne-Restaurants und TV-Shows. Die Wandlung vom alleinigen Brötchen-Verdiener zum Brötchen-Backer ist in vollem Gange und bekommt ihnen: Männer kochen gut, viel und gerne. Und das nicht nur am Wochenende, wenn Zeit und Musse es zulassen, auch wenn dies manch eine Frau dem starken Geschlecht gerne unterstellt.

Zu Unrecht, wie ein Bericht der University of Michigan zeigt, der die Kochgewohnheiten der Generation X während der letzten 25 Jahre untersucht hat. Von den 3000 Befragten, gaben verheiratete Frauen an, 51 Mahlzeiten pro Monat zu kochen, die Männer lagen mit 34 zubereiteten Mahlzeiten pro Monat gar nicht so weit zurück. Und sie lassen sich für ihre kulinarischen Taten gerne inspirieren. Sie kaufen fast genauso oft ein wie Frauen, schauen regelmässig Koch-TV-Shows und abonnieren Food-Magazine.

Die Gastrosexuellen sind im Kommen 
Ganz auf die männliche Zielgruppe ausgerichtet ist das Magazin«Beef». Es erschien vor zwei Jahren zum ersten Mal und weist laut Verlag bereits eine Auflage von 50'000 Exemplaren auf. Dass die Zeitschrift am Kiosk neben dem Playboy liegt, ist ein Indiz für den Begriff des «Gastrosexuellen», der kochende Generation X-Männer so beschreibt: «Männer, die Kochen nicht als Haushaltsaufgabe begreifen, sondern als Hobby, um Freunde und potenzielle Partner zu beeindrucken». Das Aufhebens, das Hobby-Köche mit Vorliebe und lautstark um ihr Können machen, ist hinreichend bekannt. Uneinig sind sie sich über die Wirkung auf das weibiiche Geschlecht, so wird insbesondere in den Foren von Online-Dating-Plattformen heftig darüber diskutiert, ob männliche Kochkünste auf dem Beziehungsmarkt gefragt sind oder doch eher als Eindringen in eine traditionell weibliche Sphäre wahrgenommen werden.

Nicht um die Vormachtstellung in der Kochzone oder Imponiergehabe ging es Daniel Duane, Autor von «How to cook like a man». Die Motivation zu kochen sei aus demselben Dilemma entstanden, das alle Eltern auf der Welt kennen: Zwischen 17.00 und 19.00 müssen die Kinder wachgehalten, gebadet und gefüttert werden. Letzteres trifft in jedem Alter zu und war für Duane eine kristallklare Wahl: Er übernahm das Abendessen, seine Frau das quengelnde Baby, so Duane im «Wall Street Journal». Da er jedoch kaum mehr als Spaghetti und Angebratenes fertig brachte, fing er an, sich durch Alice Waters Kochbücher zu kochen, bis er alle acht durch hatte und die gesammelten Rezepte anderer Chefs ebenfalls ausprobierte.

Männer kochen anders
Kein schlechter Tausch, wie man zugeben muss. In seinen «Memoir of a Cookbook Obsession» erklärt er nicht nur, wie ein Mann kocht und die Welt des guten Essens sieht, sondern auch, was Männer in der Küche anders machen. Hier einige Beispiele:

Anerkennung: Das Klischee des Mannes, der für seine harte Arbeit gelobt werden will, stimmt.

Me-Time: Männer kochen auch, um etwas Zeit für sich zu haben. Um ihre Kreativität entfalten zu können. Mit einem Glas Wein und dem Kochbuch zur Hand, unterscheiden sich moderne Männer kaum von unseren Vätern und Grossvätern, die Bier und Zeitung genossen, während Mama sich um den quengelnden Nachwuchs kümmerte.

Meister: So wie das Drachen-Fliegen-Lassen oder der Basketball-Dunk geübt wird, geniesst Mann es, dank vieler Übung ein guter Koch zu werden und darüber mit anderen Küchenfanatikern zu fachsimpeln. Was ihm wiederum Anerkennung bringt, siehe oben.

Tools: Männer lieben ihr Werkzeug, neuerdings auch in der Küche: Brotbackmaschinen, 42-teiliege Multifunktionsprozessoren (unter Frauen als Mixer bekannt), Japan-Messer, teure Zutaten und exotische Gewürze machen einem Mann beim Kochen erst richtig Freude.

Sozial: Wenn der Beruf einen am Tag völlig einnimmt und die Kinder unabhängiger werden, ist das gemeinsame Essen der einzige Fixpunkt der Familie für den gegenseitigen Austausch (und das Verteilen von Komplimenten an den tollen Koch). Was für viele Mütter eher ein Stressfaktor ist, scheinen Väter mehr zu schätzen.

Arbeitsteilung: Wer kocht, räumt nicht auf. Putzen, abräumen und abwaschen überlasst Mann dann gerne dem Rest der Familie. Was mit den vielen Küchengeräten meist mehr Zeit in Anspruch nimmt, als es das Kochen tat.

Genuss: Frauen sind eher für die gesunde, praktische Küche zu haben, vor allem, wenn Kinder im Haus sind. Männer dagegen bevorzugen Saucen, Fleisch und Fettiges.

Überfluss: Sie tun, als müssten sie für ein Regiment kochen. Das Positive daran: Am nächsten Tag gibt’s Reste-Essen.

Budget: Frauen achten eher darauf, günstig und gut einzukaufen. Für Männer dagegen ist häufig nur das Beste gut genug.

Anleitung: Daniel Duanes Obsession mit Kochbüchern kann in vielen Männerküchen beobachtet werden. Jamie Oliver & Co. haben dazu sicherlich einiges beigetragen.

Duane zeichnet in seinem Buch ein Bild von kochenden Männern, das auch im eigenen Bekanntenkreis durchaus Wiedererkennungswert geniesst. Dabei zeigt sich vor allem, dass Frauen von den Männern in Sachen Genuss im Alltag und bei der Jagd nach Anerkennung noch einiges lernen könnten.

Übrigens fänden es der «Vorwerk-Familienstudie 2011» zufolge 43 Prozent der Frauen «schön», wenn der Mann mehr kochen würde. Dem sinnlichen Vergnügen steht also Nichts mehr im Wege. Ran an die Töpfe.

«How to cook like a man» von Daniel Duane, erschienen im Bloomsbury Verlag.

Dieser Artikel erschien erstmals auf clack.ch und newsnet (Online-Tageszeitungen).

 

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