Nein, du bist nicht gleichberechtigt!

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Ein antifeministischer Post macht auf den sozialen Medien die Runde und hier ist meine Antwort dazu.

«I am not a 'disgrace to women'...» (Ich bin keine Schande für Frauen). So beginnt ein langer Post von einer Dame namens Lisa Dowell. Darin rechtfertigt sie sich, dass sie NICHT an den weltweiten Frauenprotesten, den Women’s March, von letztem Samstag teilgenommen hat.


Diese Märsche, welche offenbar zu den grössten Protesten der USA zählen, haben Millionen von Frauen und Männern auf die Strasse geholt. Protestiert wurde global gegen die «Politik» Trumps, insbesondere gegen seine Absicht, moderne Errungenschaften in Sachen Frauenrechte rückgängig zu machen. Dienstag wurde bspw. bekannt, dass er Finanzierungen von NGOs abschaffen will, welche die Familienplanung in Drittweltländern unterstützten. (Das ist für einen Republikaner nichts Neues, diese Finanzierungen werden bei jeder Regierung abgeschafft und wieder eingeführt). Aber da er bereits im Wahlkampf davon sprach, dass «Frauen, die abtreiben, eine Art der Bestrafung erhalten müssten», ist schwer davon auszugehen, dass er und sein Vize viele Rechte und Gesetze zurück ins Mittelalter befördern wird. Auch weil hinreichend bekannt ist, wie sehr er Frauen im Allgemeinen respektiert.
Diese Lisa Dowell also findet, wir Frauen (insbesondere die Demonstrantinnen), sollten uns mal nicht so anstellen. Schliesslich könnten wir alles tun und lassen, was wir wollten und hätten dieselben Möglichkeiten wie Männer auch. Es liege am Ende nur an uns.
Grundsätzlich bin ich ebenfalls der Meinung, dass wir keine Opfer zu sein brauchen. Doch was sie hier als selbstverständlich abtut, hat sie eben genau den Frauen zu verdanken, die dafür gekämpft haben. Wie letzten Samstag. Deshalb hier meine Antwort:

Ja, Lisa, du kannst eigenständige Entscheidungen treffen, sagen, was du willst, du wirst gehört, du kannst wählen, arbeiten, über deinen Körper entscheiden, dich und deine Familie beschützen. Dank Frauen, die vor dir für all das auf die Strasse gingen. Du wurdest mit diesen Rechten geboren. Selber hast du NICHTS dafür getan, profitierst aber von den vielen starken Frauen, die mitunter dafür gelitten haben und selber von diesen Rechten gar nie profitieren konnten. Und da sitzt du nun auf deinem hohen Ross, deinem privilegierten Ross und träumst von der erlangten und totalen Gleichberechtigung.
Lass dir gesagt sein, Lisa: Trotz jahrzentelanger Kämpfe, du bist nicht gleichberechtigt. Noch nicht. Es fühlt sich für dich vielleicht so an, doch du verdienst immer noch weniger als ein Mann in derselben Stellung. Du bist in vielen Berufen immer noch nicht willkommen.
Dein Uterus gehört dir immer noch nicht ganz, nicht überall auf dieser Welt (und schon gar nicht in den USA, wo du herkommst). Gerade heute wird wieder überall, auch in Europa, hitzig darüber debattiert, ob Abtreibung strafrechtlich verfolgt werden soll. Du hast immer noch nicht die Wahl, die Wahl zu haben.
Du bezahlst immer noch Steuern für grundlegende, genderspezifische Hygieneartikel.
Du fühlst dich immer noch nicht sicher, wenn du nachts alleine unterwegs bist. Denn du müsstest dich vor Gericht ja auch noch rechtfertigen, wieso du alleine und in dem Outfit unterwegs warst. Und betrunken? Ich bitte dich!
Die Tatsache, dass du Mutter wirst, wirft dich in Sachen Gleichberechtigung nochmal um ein paar Jahrzehnte zurück. Nicht nur im Beruf, auch in der Partnerschaft. Und in der Öffentlichkeit stillen? Igitt!
Als Frau giltst du immer noch als Objekt. Der Begierde, aber auch der «Sünde». Deine Sexualisierung hat mitnichten aufgehört, sie wird immer extremer. Entweder bist du zu dünn oder zu fett. Und bitte werde nicht alt, das ist ja nicht mit anzusehen! Ach ja und du solltest dich bitteschön wie eine Lady benehmen und anziehen. Denn daran wirst du gemessen, nicht etwa an deiner Intelligenz. Das fängt schon als Mädchen an.
Du wirst immer noch von deinem Freund, deinem Mann geschlagen, was du übrigens ebenfalls rechtfertigen sollst.
Geschweige denn, wenn du schwarz, lesbisch, transgender bist oder sonst «aus dem Rahmen» fällst!
Nein Lisa, du bist nicht gleichberechtigt. Deine Töchter übrigens auch nicht. Aber ich verstehe, dass du kein Opfer sein willst. Du glaubst Feministen und Feministinnen sind emotional, irrational und unvernünftig. Was regen die sich so auf? Wieso sind sie nicht zufrieden mit ihrem Leben?
Weisst du was? Auch für dich gingen diese Frauen letzten Samstag auf die Strasse. Überall auf der Welt. Damit deine Töchter und deren Töchter irgendwann vielleicht mal sagen können, sie seien gleichberechtigt. Keine Angst, wir sind da.

Dieser Text erschien erstmals auf wireltern.ch

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