Die egoistische Mutter

Bild: screenshot paradisi.de


Was macht sie aus? Ein belauschtes Gespräch.

Neulich sass ich in einem Zürcher Restaurant und obwohl ich etwas zu lesen dabei hatte, kam ich nicht drum rum, zwei Frauen zu belauschen, die am nächsten Tisch sassen. Die eine erzählte von einer Bekannten mit drei Kindern (6, 4, 2 Jahre), die als Hausfrau und Mutter kurz vor einem Burnout den Arzt aufsuchte. Dieser empfahl ihr, wieder arbeiten zu gehen. Ich dachte noch für mich, was das für ein cooler Arzt ist, schliesslich weiss jede erwerbstätige Mutter, dass der Job wie Ferien sein kann. Erst recht bei drei Kindern, überlegte ich mir. Diese Frau fing also wieder drei Tage die Woche zu arbeiten an. Die Frau am Nebentisch erklärte deren Wochenablauf, der meines Erachtens extrem gut organisiert war. An den zwei freien Tagen, ginge diese Bekannte morgens ins Fitness, nachmittags habe sie die nicht schulpflichtigen Kinder bei sich.
So weit, so gut. Ein Leben, wie es viele von uns kennen. Einige geniessen es, anderen ist es zu stressig. Nichts Ungewöhnliches. Doch nicht für die Erzählerin. Sie fand es unerhört, dass «man  drei Kinder in die Welt setzt, um sie dann nie zu sehen!» Zwei Nachmittage in der Woche seien bei drei Kindern doch einfach viel zu wenig und wenn die Frau lieber auf ihre Figur achte und ins Fitness wolle, dann hätte sie keine Kinder haben brauchen. «Egoistin» war das vernichtende Urteil.
Ihre Freundin widersprach ihr vehement. Sie fände auch keine besondere Erfüllung darin, jeden Nachmittag mit den Kids auf dem Spielplatz zu verbringen, und sei deshalb froh zu arbeiten. Erstere verstand das nun wiederum gar nicht und fragte sie, wieso sie denn Kinder habe, wenn sie ja lieber nichts mit ihnen machen wolle. «Zumindest nicht, um immer mit ihnen zusammen zu sein. Ich will, dass sie sich entfalten und dazu gebe ich ihnen ein Zuhause und Wurzeln. Sie brauchen mich aber nicht dauernd um sich.»  Die Empörung gegenüber war deutlich zu spüren. Und bald auch zu hören. «Ich finde das schlimm, was du da sagst.» Gefragt, wieso sie denn so viel Zeit mit ihrem (Einzel-, wie sich herausstellte) Kind verbringe, antwortete sie «Weil es für mich das Schönste ist!»
«Und findest du das nicht auch egoistisch? Du machst es ja offenbar für dich. Ist es für dein Kind auch das Schönste? Ist es nicht dasselbe, dass du möglichst viel Zeit mit deinem Kind verbringen willst, weil DU das magst, wie für diese andere Mutter ins Fitness zu gehen, weil sie sich gerne etwas Gutes tut?» Schweigen. Wie so oft bei solchen Müttergesprächen, wechselten sie bald das Thema, wohl um ihre Freundschaft nicht zu gefährden.
Abgesehen davon, dass ich es immer noch traurig finde, das wir Mütter offenbar oft das Bedürfnis haben, über andere urteilen, statt sie ihr Leben so leben zu lassen, wie es für sie und ihre Familie stimmt, kam bei mir eben diese Frage auf:
Ist eine Mutter egoistisch, wenn sie ihre Kinder abgibt, um zu arbeiten, ins Fitness zu gehen oder ein gutes Buch zu lesen?

Und ist es nicht genauso egoistisch, möglichst viel Zeit mit dem eigenen Kind zu verbringen, weil es mir selber so gefällt? Geht es beim Mutter sein – auf die Väter komme ich ein andermal zurück – darum, möglichst viel um die Kinder zu sein oder ist eine Mutter eine Erziehungsberechtigte, die erziehen und bei Bedarf für ihre Kinder da sein soll?

Was meint ihr? Wer hat Recht?

Kommentare

Lorelai hat gesagt…
Ich denke, man kann nicht so pauschal beurteilen sondern muss auch einen entscheidenden Punkt berücksichtigen: WER betreut die Kinder wenn die Mutter weg ist? Wird es an 5 Tagen die Woche fast ab Geburt in die Kita abgeschoben? Oder wird es vom Vater/den Grosseltern/einer Tagesmutter betreut? An wie vielen Tagen wird es fremdbetreut? Wie alt ist es? Als Denkanstoss teile ich gerne dieses Video: http://t.co/OcP9d4KtKu
Anonym hat gesagt…
Ich finde, jeder soll es so handhaben, wie er/sie es für richtig hält. Es hängt auch stark vom Kind ab, ob es früh selbstständig und "unabhängig" ist oder von selbst gern an Mutters Rockzipfel hängt.
Aber darüber von außen zu urteilen, ist in einem unterträglichen Maße anmaßend. Und ich hab doch lieber eine entspannte Mutter zu Hause, als eine, die bald aus den Latschen kippt.
Hier geht doch eindeutig Qualität vor Quantität.

Und @Lorelei, allein die Formulierung "abgeschoben" reicht mir fast schon zu einem seitenfüllenden weiteren Kommentar. Ich lasse es.
ito hat gesagt…
Im Gegensatz zu meinem näheren Umfeld habe ich kein Problem damit, mein Kind in eine Betreuung zu geben. dort sind sie sicher aufgehoben, knüpfen Freundschaften, gewöhnen sich spielerisch an ein Zeitfenster ohne meine Kontrolle und freuen sich im Nachhinein um so mehr über die gemeinsam verbrachte Zeit. Egoistisch ist hierbei nichts, schliesslich eröffnet man dem Kind einen neuen Teil der Welt.
Als Familie schwinden auch die Kosten nicht, wo vorher 2 für 2 sorgten kann jetzt nicht 1 für 3 sorgen. Darum spreche ich mich konsequent für Kinderkrippen und längere Kindergartenzeiten aus. In der bisherigen Zeit von 9-11.30 und 13.30-15.00 ist sonst weder Erholung, Egoismus, Ausgleich noch Unabhängigkeit möglich.
Andrea Mordasini, Bern hat gesagt…
Eigentlich ist doch alles egoistisch, sei es der Entscheid für oder gegen Kinder. Wie dem auch sei, ich habe mit diesem unsäglichen und unnötigen Mütterbashing grosse Mühe. Egel, für welches Lebens- bzw Familienmodell sich die Einzelnen entscheiden, Hauptsache es stimmt für alle Beteiligten und Betroffenen - Kinder und Eltern - egal was andere darüber denken, schreiben oder gar sagen mögen. Bei denen, die andere Mamis dauernd verurteilen und kritisieren müssen, frage ich mich, ob sie selber mit ihrer Situation zufrieden und glücklich sind. Denn sonst hätten sie das ewige Gemotze und Genörgel auch nicht nötig... Ja, ich geniesse meinen Teilzeitjob im Büro, wo ich mich mit anderen Erwachsenen über andere Themen unterhaltennund austauschen kann. Genauso geniesse ich nun seit diesem Sommer drei freie Vormittage, an denen meine beiden Goldschätze im Kindergarten sind :). Und wenn mich deswegen jemand als Egoistin betrachtet, dann ist das eben so und lässt mich kalt ;). Mit etwas mehr Leben und leben lassen, weniger Anfeindungen, dafür etwas mehr Toleranz und Verständnis wäre gerade auch das Zusammenleben zwischen uns Müttern viel harmonischer, einfacher und gemütlicher :)
Anonym hat gesagt…
1. Nicht jede Mama verbringt Zeit mit dem Kind weil es für SIE schön ist, sondern vor allem für das Kind. Mein Sohn (21 Monate) verbringt die Zeit viel lieber mit mir als in der KiTa - und ich tue ihm den Gefallen weil es mir gut geht wenn es ihm gut geht.
2. Sorge ich durch meinen 30-Stunden/Woche-Job dafür, dass ich mich ab und zu wieder als eigenständiges Individuum fühle und nicht nur als Mama die sich aufopfernd um ihr Kind sorgt&kümmert. Davon hat dann auch mein Kind etwas: ich bin entspannter, gelassener und habe mehr Energie um dieses non-stop-in-Bewegung-Kind so zu betreuen, wie er es verdient
Anonym hat gesagt…
Ich kann dieses Mütter-Bashing nicht mehr ab. Warum darf nicht jede so glücklich werden, wie sie es mag. Kinder machen so viel mit. Diese verquere romantische Vorstellung der Kindererziehung befriedigt meist nur die eigenen und nicht die Bedürfnisse der Kinder. Und zudem sollte man (frau) sich ja mal bewusst werden, dass dieses furchtbare Hochstilisieren der Mutter als die Allumsorgende, die nur fürs Kind da ist, aus der Nazi-Zeit kommt.
Davor, also noch-früher (ja, als manches durchaus noch besser und vor allen Dingen einfacher war) da waren Kinder einfach da. Da wurde nicht getüddelt und bemuttert. Kinder wurden von vielen Menschen (Familie, Dorf) aufgezogen und sich durchaus auch mal selbst überlassen.
Anonym hat gesagt…
Genau dieses Verhalten das Frauen untereinander (gegeneinander) pflegen, lässt den Frauenpower verschwinden. Wenn genau so viel Energie für gegenseitige Unterstützung eingesetzt würde, wären wir viel weiter in Sachen Gleichberechtigung. Die Männer lachen sich der weil leise in Fäustchen!

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