Ferien forever!
Das gibt es wirklich. Es nennt sich «Radical Unschooling» und erinnert an die 68er. Aber ist es auch realistisch?
Die Schule hat uns wieder. Ja uns, nicht nur die Schüler. Denn wer
schulpflichtige Kinder hat, weiss, dass der Stundenplan nicht nur sie
angeht, sondern uns Mütter (und machnmal die Väter) genauso mit
einbezieht. Vom anstehenden Elternabend, dem lärmigen Besuchstag, über
die nervtötenden Hausaufgaben bis hin zum Schwimmunterricht, für den man
das Badezeug eben nicht vergessen sollte.
Wer ausserdem vor den Sommerferien eines dieser wahnsinnig angenehmen
Gespräche mit einem Lehrer hatte, bei dem einem nahegelegt wird, das
eigene Kind wegen mangelnder schulischer Leistungen doch bitte abklären
zu lassen, wünscht sich wohl erst recht gaaaanz lange Ferien.
Montagnachmittag kam unser Sohn bereits wieder mit Hausaufgaben nach
Hause. Und leider nicht die beliebte Sorte mit Wörtern und Buchstaben,
sondern eben die mit den vielen Zahlen. Bis hundert. Wieso der Kleine
Zahlen nicht mag, scheint genetisch gegeben zu sein, wieso sonst würde
ich einen schreibenden Beruf und nicht den einer Buchhalterin ausüben?
Weil mir (und seinem Vater) Zahlen genauso wenig liegen wie ihm.
Was also klingt in verzweifelten elterlichen Ohren wie ein Segen in
Sachen Schule? «Un-Schooling»! Genau! Kinder aus der Schule nehmen und
selber lernen lassen scheint doch DIE Lösung.
Keine Zwänge, keine Verbote
Gemäss der Philosophie des «Radical Unschooling» sollten Kinder nicht gezwungen werden, zu lernen. Ganz zu schweigen vom Haare-kämmen, Gemüse-essen oder gar ihre Kleider anzubehalten. Für den «Atlantic» hat eine Mutter, die ihre Tochter zu Hause unterrichtet, das Phänomen näher betrachtet.
Gemäss der Philosophie des «Radical Unschooling» sollten Kinder nicht gezwungen werden, zu lernen. Ganz zu schweigen vom Haare-kämmen, Gemüse-essen oder gar ihre Kleider anzubehalten. Für den «Atlantic» hat eine Mutter, die ihre Tochter zu Hause unterrichtet, das Phänomen näher betrachtet.
Eigentlich weiss die Forschung – und wir Eltern grundsätzlich auch –
dass die Schule, wie wir sie kennen, nicht dem entspricht, wie ein
Mensch lernt. Es sind nicht die endlosen Wiederholungen, das
Auswendiglernen und das viele Lesen, wodurch wir Dinge lernen. Vielmehr
lernt wir durch Leidenschaft, Ausprobieren und Durchhaltevermögen, bis
wir ein Problem gelöst haben oder das Interesse daran verlieren. Das
wusste schon der amerikanische Lehrer John Holt 1970.
Wie Quinn Cummings im «Atlantic» schreibt, wissen Eltern schon
längst, was die Forschung immer wieder neu entdeckt. So sind Teenager
erwiesenermassen keine Morgenmenschen. Obwohl die Versuche, den Schultag
später anzusetzen durchwegs Erfolge brachten, haben die wenigsten
Oberstufen dieses Prinzip übernommen. Auch standartisierte Tests werden
immer wieder angezweifelt, es wird teilweise gar davon abgeraten, weil
es Schüler dazu ermutigt, lediglich wiederzugeben, statt für sich selbst
zu denken.
Weshalb Cummings sich intensiver für die Spezies der «Radical
Unschoolers» zu interessieren begann: Diese Kinder dürfen den ganzen Tag
genau das tun, was ihnen gerade gefällt. Sie haben weder Bett- noch
Essenszeiten, keine Verbote, frech zu sein oder sonstige Zwänge, die
unsere Gesellschaft wie zu oft verlangt. Es geht grundsätzlich darum,
einem Kind nicht zuzumuten, was wir auch keinem anderen Erwachsenen
zumuten würden. Wenn meine Tochter also beim Haarekämmen brüllt, soll
ich es eben lassen und die Mähne zu einem Dreadlock-Knäuel wachsen
lassen. Es seien schliesslich ihre Haare und nicht meine.
In ihrem Artikel beschreibt die Journalistin auch eine Konferenz der
«Radical Unschoolers», an der sie teilnahm und die doch sehr an Hippies
erinnerte, die weisse Poloshirt-tagende Mütter und Väter bekehren
möchten. Nackte Kinder, die lautstark über ihre Genitalien referieren
und Mütter, die ihnen ihre Brüste anbieten, um diese stillend zu
beruhigen.
Kommen Ungeschulte im Berufsleben zurecht?
Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bin bei solchen Theorien immer hin- und hergerissen. Einerseits klingt es toll, unsere Kinder so aufwachsen zu lassen, wie es die Natur eigentlich vorgesehen hat. Ohne Zwänge und ohne nervenaufreibenden Additionen und Subtraktionen. Andererseits muss ich mich natürlich fragen, wie diese Kinder denn später im Berufsleben zurechtkommen werden. Oder züchten sich radikale Unschuler sowieso nur Künstler heran, die eben nichts auf gesellschaftliche Konventionen geben?
Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bin bei solchen Theorien immer hin- und hergerissen. Einerseits klingt es toll, unsere Kinder so aufwachsen zu lassen, wie es die Natur eigentlich vorgesehen hat. Ohne Zwänge und ohne nervenaufreibenden Additionen und Subtraktionen. Andererseits muss ich mich natürlich fragen, wie diese Kinder denn später im Berufsleben zurechtkommen werden. Oder züchten sich radikale Unschuler sowieso nur Künstler heran, die eben nichts auf gesellschaftliche Konventionen geben?
Eines ist sicher: Das nächste Mal, wenn mein Sohn mit den
Hausaufgaben nicht zurechtkommt, werde ich etwas mehr Geduld mit ihm
haben. Denn ob einverstanden oder nicht, in einem haben die «Radical
Unschoolers» Recht, Kinder sollten Wissen aufsaugen und nicht damit
gemästet werden. Die Umsetzung dieser Erkenntnis hingegen erweist sich
in 25-köpfigen Klassen wohl als schwieriger als zu Hause. Leider.
Wie geht es euch dabei, wenn ihr von solchen Bewegungen hören? Haben die am Ende Recht? Oder ist es Unsinn?
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