Ohne mich – Virtuelle Freunde

Ich habe Freunde. Eine Hand voll. Früher hatte ich mehr, viel mehr. Aber mit dem Alter kommt die Karriere, dann die Kinder, was auf viel Zeitaufwand und wenig Zeit für Freunde hinausläuft. Das Internet bietet jedoch – wie für Kaninchenzüchter, Gesundheitsapostel und Abmagerungsfanatiker – auch für Menschen mit wenig Freunden eine Lösung: facebook.com.


Da finden Sie im Null-Komma-Nichts vieeeeele Freunde. Und erfahren alles über ihre Hobbies, Jobs, persönliche Favoriten in jedem Bereich. Sogar über die Aktivitäten dieser “Freunde” finden Sie allerlei Infos. Und sehen, wieviele “Freunde” Ihre “Freunde” haben. Da gibt es Leute, die haben über 2000 solcher “Friends”! Aber keine Zeit, sie zu treffen… Virtual Reality vom Feinsten.

Nun frage ich mich aber: Wieso sollte sich irgend jemand dafür interessieren, dass ich am liebsten Büchsen-Pfirsiche esse, während ich “Desperate Housewives” schaue? Oder dafür, “wer ich in meinem früheren Leben war”? Oder gar dafür, “was ich tue, wenn mich niemand sieht”, nämlich Büchsen-Pfirsiche vor dem Fernseher essen?

Ist es denn nicht so, dass ich die Zeit, die ich mit facebook.com vergeude, lieber beim Apéro mit echten Freunden verbringen sollte? Mit echten Gesprächen, echten Drinks und echten Lachern? Ich finde schon, und deshalb werden Sie mich nie auf einer solchen Plattform finden, für meine Freunde brauche ich kein Verzeichnis. Was facebook.com nämlich nicht kann, ist mich in den Arm nehmen und trösten, wenn die aktuelle Staffel von “Desperate Housewives” schon wieder zu Ende ist.

Erstmals erschienen in der Balser Zeitung, August 2008
Text: Nathalie Sassine


Kommentare

Anonym hat gesagt…
Du sprichst mir aus dem Herzen! Finde diese ganze virteulle Geschichte etwas lächerlich! Habe echte Freunde und die reichen mir. Ausserdem habe ich von anderen vernommen, dass Facebook einem wirklich Stunden einnehmen kann und dafür habe ich keine Zeit!

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