Freuen wir uns?

Geht euch das "EM-Vorgeplänkel" auch so auf den Geist? Uns auch! Und Bänz Friedli erst!

Mir wäre an dieser Stelle auch am liebsten eine fussballfreie Kolumne – da geht es mir wie Ihnen: Man hat das Vorgeplänkel satt, sieht rot vor lauter Rot-Weiss, findet die Fähnchen auf den Vierradantriebkarossen läppisch und all die Produkte überflüssig. Meinen die wirklich, wir Hausfrauen kauften all die Pappteller mit Köbis Konterfei und die Pfannenblätze mit Schweizer Kreuz? Der Kommerz kann mir gestohlen bleiben. Also, ich trink grad extra ein anderes Bier als das offizielle, mir muss die Uefa nichts vorschreiben! Es genügt schon, dass wir Steuerzahler die Stadien bezahlt haben – und die Uefa schöpft nun 1,1 Milliarden Franken Gewinn ab. Unverschämt.

Aber ich muss aufpassen. Trinke ich mein unstatthaftes Nichtsponsorenbier bei uns im Garten, werde ich womöglich sur place verhaftet, so nah wohnen wir am Letzigrund. In Stadionnähe wird jedes falsche Logo geahndet. Herrgott, ja: Wir haben die EM vor der Haustür. Und was habe ich davon? Ein Ticket vielleicht, damit ich meine geliebten Azzurri live anfeuern könnte? Vergiss es! Die hat alle der Herr Ledergerber gekriegt, die Tickets. Der Rest wird unter den Sponsorenbiertrinkern verlost. Und was hat Zürich davon? Ein Verkehrspuff, Abfall, Kampfjets über den Dächern, falsch parkierte Rumänen. Mir muss doch keiner mit «nachhaltigem Fremdenverkehr» kommen! Bin ja selber an die letzten Endrunden fremdverkehrt: In Coimbra, Portugal, hab ich einen einzigen Becher getrunken (vom Sponsor), in Stuttgart ein Sandwich gekauft, drei öffentliche Toiletten benutzt, und weg. Nicht besonders nachhaltig. Und jetzt, da der Anlass hier stattfindet, bin ich verdrossen, ehe er beginnt. Wenns nach mir geht, ist diese EM ein Ärgernis.

Aber zum Glück gehts ja nicht nach mir. Sondern nach Hans und Anna Luna. Und deren ungetrübte Vorfreude färbt ab. Ich wollte grad über die Panini-Geldmacherei motzen, schon hatten sie mich mit ihrem Sammelfieber angesteckt. Dann ihr Freudentanz, als unser YB-Häberli nachnominiert wurde! Hans möchte, wenn wir das nächste Mal ein Mobility-Auto mieten, ein Fähnchen ans Dach stecken. An seiner Schule sind Tschuttishirts nicht wie andernorts verboten, nein, die haben gar eigens ein herziges EM-Lied eingeübt: «La Ola». Sogar die doofen Maskottchen finden unsere Kinder süss. Und was macht der Vati? Geht hin und kauft Trix für Hansli und Flix für Anna Luna. Dank der Kinder ist mein EM-Verdruss wie weggeblasen.

Doch dann dies: Als Anna Luna und ich am Dienstag allein zu Mittag essen – Hansli besichtigte mit Grossätti den Basler Rheinhafen – und ich sie mit einem Kinder-Überraschungsei überrasche, entfährt ihr ein entsetztes: «Muss es jetzt auch hier drauf noch ein EM-Logo haben?!»

Text: Bänz Friedli für das Migros Magazin

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